Nachdem ich mir 3 Tage land die Strecke der Europameisterschaft genau angeschaut hatte, erholte ich mich am Freitag und trainierte gar nicht. Ich machte nur die Fahrräder in der Sonne sauber und genoss das gute Wetter. Es war ja nun lang genug schlecht und regnerisch. Am Samstag inspizierte ich dann ein letztes Mal die letzten Kilometer der Strecke. Ich wollte noch mal ganz genau die Abfahrten, Kurven und Trails sehen, für den Fall, dass es zum Sprint kommen würde.
Vor 20 Jahren fuhr ich mein erstes Rennen in Tschechien, damals die U23 Europameisterschaften auf der Strasse. Ein lustiges Gefühl.
Sonntag morgen. Der Renntag. Ein Kurs, der mir sehr gut gefiel. Ein Kurs, bei dem es auch um die richtige Taktik gehen würde, lang genug ruhig zu bleiben. I fühlte mich gut, die Beine waren gut, fertig zum Kampf. Ich fuhr mich nur kurz warm, denn ich wusste von den Vorjahren, dass es ein langsamer Start werden würde, man hatte also genug Zeit im Rennen, warm zu werden.
Im ersten Teil des Rennens war ich nie in der Führung, fuhr immer an zweiter oder dritter Position. Ich hatte vorher entschieden, erst bei 15km nach vorne zu fahren und etwas Gas zu geben. Im ersten, technischen Singletrack-Anstieg. Gesagt, getan. Am Ende des Singletrails waren wir noch zu fünft in der Spitzengruppe. Es lief gut, genau, wie ich gepant hatte. Ich hielt mich in der Tempoarbeit zurück, musterte meine Konkurentinnen und überlegte, was gegen wen wohl die beste Taktik wäre. Ich merkte bald, dass es sicher schwer werden würde, Sally Bigham in den Anstiegen abzuhängen, sie war in Top Form, also musste ich mir für sie etwas anderes überlegen. Aber zuerst mussten wir die Deutschen Elisabeth Brandau und Sike Schmidt loswerden. Bei Kilometer 45 kam eine Serie von steilen, technischen Anstiegen, hier konnte ich mit Sally zusammen eine Lücke reissen. Perfekt, es lief wie geplant, jetzt konnte ich mich auf den nächsten Teil meines Plans konzentrieren. Mein Plan war ganz einfach: Ich wollte es auf einen Sprint ankommen lassen, da ich mir ziemlich sicher war, Sally da zu schlagen. Also bereitete ich mich die letzten 30km im wesentlichen auf den Sprint vor, ohne in meinen Führungen irgendwie aufs Tempo zu drücken. Ich dachte nur daran, möglichst viel Kraft zu sparen und meine Beine zu lockern. Als wir dem Ziel näher kamen, schauet ich mir noch mal die Windrichtung an. Ich sah, dass wir wahrscheinlich auf der Geraden 300m vor dem Ziel Gegenwind haben werden, und dann kurz vor dem Ziel nach ein paar Kurven Rückenwind.
Noch 5km. Ruhig bleiben, konzentriert bleiben. Wir überholten einen Männerfahrer, der 15 Minuten vor uns gestartet war. Er fuhr mit uns und ich wurde richtig wütend! Das hatte gerade noch gefehlt! Ein Männerfahrer, der sich in unseren Fight einmischt. Ich schrie ihn an er solle abhauen, was er dann auch tat und lies sich zurückfallen. 2km vor dem Ziel ging es in die letzte Singletrail Abfahrt. Ich konnte eine kleine Lücke reissen, aber Sally kam an einem kleinen Gegenanstieg zurück und überholte mich kurz vor der Spitze. Das war mir ganz recht, so fuhr sie die letzte Gerade mit Gegenwind 300m von vorne. Es kamen ein paar Kurven vor dem Ziel und vor der ersten Kurve trat ich an, fuhr in der Kurve aussen an Sally vorbei und gab diese Position bis ins Ziel nicht mehr ab.
Heute bekam ich zum dritten Mal das Blaue Tricot mit den gelben Sternen. Dieses Mal wurde auch die Finnische Nationalhymne richtig gespielt. Ich wusste, dass der Organisator damit kein Problem haben würde, so nah an Liberec, wo viele Skilanglaufwettlkämpfe stattfinden und die Finnen traditionell erfolgreich sind.
Ich bekam auch einen netten Sachpreis, eine 4.5kg grosse Toblerome Schokolade. Die werde ich am Ende der Saison mit allen Freunden verzehren.