14. Etappe des Giro d´Italia 2005

Basso-K.O.: Einbruch am Stelvio, Wiederauferstehung im Piemont

Foto zu dem Text "Basso-K.O.: Einbruch am Stelvio, Wiederauferstehung im Piemont"
Ivan Basso (CSC) leidet beim Giro 2005 auf der 13. Etappe nach Ortisei, kurz bevor er sein Rosa Trikot abgeben muss. | Foto: Roth Foto

23.05.2020  |  (rsn) - Es ist ein Drama in zwei Akten, das zum völligen Kollaps des Hauptdarstellers führt, ehe im Epilog doch noch seine große Glanzstunde folgt: der Giro d'Italia 2005 des Ivan Basso.

Am Morgen des 21. Mai, der 13. Etappe von Mezzocorona im Trentino nach Sankt Ulrich in Südtirol, saß der damals 27-jährige Italiener in der Pole Position. Basso hatte bis dato zwar noch keine Etappe gewonnen, doch der Tour-de-France-Dritte des Vorjahres, der zu Ehren seiner im Januar an Krebs gestorbenen Mutter die Italien-Rundfahrt als erstes Saisonziel anvisiert und letztlich als Top-Favorit in Kalabrien am Start gestanden hatte, hielt das Ruder beim Giro fest in der Hand.

Nach Rang zwei im Einzelzeitfahren von Florenz und Platz zwei bei der Bergankunft am Zoldo Alto streifte er das Maglia Rosa über, und auch wenn Paolo Savoldelli (Discovery Channel) nur 18 Sekunden hinter ihm lag, so schien der CSC-Kapitän auf dem Weg in Richtung Gesamtsieg zu sein. Doch irgendwo zwischen der Eroberung des Rosa Trikot und dem Etappenstart in Mezzocorna rund 40 Stunden später, war offenbar etwas schiefgelaufen.

Denn auf dem Weg nach Südtirol beginnt Basso zu wanken. Lange Zeit konnte er es auf dieser 218 Kilometer langen Etappe über sieben Pässe - darunter der berüchtigte Pordoi und der Passo delle Erbe - kaschieren. Doch im Schlussanstieg von Waidbruck (Ponte Gardena) hinauf nach Sankt Ulrich (Ortisei) gehen ihm die Kräfte aus. Als dann rund fünf Kilometer vor dem Ziel Damiano Cunego beschleunigt und einen Angriff von Gilberto Simoni vorbereitet, hat er nichts mehr entgegenzusetzen. Während die Favoritengruppe explodiert und hinter Simoni herspurtet, was nur Savoldelli richtig gelingt, bleibt Basso sitzen, tritt sein Tempo weiter und fällt Meter um Meter zurück.

Er verliert 1:08 Minuten auf den "Falken" Savoldelli, der wegen seiner famosen Abfahrtskünste diesen Spitzname trägt und nun Rosa übernimmt, ist aber mit 50 Sekunden Rückstand weiterhin Gesamtzweiter. Bassos Fans glauben weiter fest an den Giro-Sieg, doch im Nachhinein ist dieser Tag in Südtirol nur der Anfang vom Ende der Gesamtsiegs-Ambitionen.

Die 13. Etappe nach Ortisei im Video (Text geht danach weiter):

Über Nacht bessert sich Bassos Befinden kaum - eher im Gegenteil. Der Italiener kämpft mit schweren Magenproblemen, kommt kaum zum Schlafen und weiß schon am Start der Königsetappe in Neumarkt (Egna), dass ihm ein grauenvoller Tag blüht. Über das Stilfserjoch und den Passo di Foscagno geht es auf 210 Kilometern nach Livigno. In der ersten Rennhälfte hält Basso mit, quält sich im Peloton und hält die Hoffnungen am Leben. Doch am berüchtigten Stelvio gehen ihm die Lichter aus.

Schon im unteren Teil der 23 Kilometer langen Steigung fällt Basso aus dem noch recht großen und von Savoldellis Discovery Channel-Team angeführten Hauptfeld zurück. Die CSC-Helfer um Fränk Schleck versammeln sich in voller Mannschaftsstärke um ihren Kapitän, und Christian Vandevelde versucht ihn vor den TV-Kameras zu schützen. Basso ist geschlagen, doch seine Teamkollegen erweisen ihm eine besondere Ehre und geben moralische Unterstützung in der hoffnungslosen Situation - gerade mit Blick auf die Tour de France im Juli, wo Basso ebenfalls gewinnen will, ein wichtiges Signal.

Comeback nach nur drei Tagen

Warum tut er sich das an, musste man sich fragen, wenn man Basso auf dieser 14. Etappe des Giro 2005 wie ein Häufchen Elend den Stelvio hinaufpedalieren sah. Doch der Italiener gab nicht auf, im Gegenteil: In dieser dunklen Stunde am Stelvio versprach er Teamchef Bjarne Riis, noch während dieses Giro eine Etappe zu gewinnen. Er quälte sich, biss sich durch und erreichte nach 7:28:48 Stunden das Ziel in Livigno - 42:15 Minuten nach Tagessieger Ivan Parra (Colombia - Selle Italia) und 38:32 Minuten nach Savoldelli, der eine Woche später in Mailand den Giro gewinnen sollte.

Savoldelli und Gilberto Simoni (Lampre - Caffita) sowie José Rujano (Colombia - Selle Italia) und Danilo Di Luca (Liquigas) lieferten sich bis zum Schluss einen harten Vierkampf um den Giro-Sieg, doch Basso machte sein Versprechen wahr: Zwei Flachetappen und einen Ruhetag nach seinem K.O. am Stilfserjoch entschied er als Solist die 17. Etappe in Limone Piemonte für sich, um tagsdrauf auch noch das Einzelzeitfahren von Turin zu gewinnen.

Zwei Monate danach wird Basso hinter Lance Armstrong Tour-Zweiter und ein Jahr später kehrt er zum Giro zurück, um das Magen-Darm-Aus vergessen zu machen: Er gewinnt das Rennen 2006 in schier unglaublicher Dominanz mit über neun Minuten Vorsprung, kurz bevor ihn die Operacion Puerto um Dopingarzt Eufemiano Fuentes stoppt.

Bassos totaler Einbruch am Stilfserjoch 2005 im Video:

Mehr Informationen zu diesem Thema

09.05.2023Wegmanns großer Coup mit dem Bergtrikot

(rsn) - Ehe Pascal Ackermann im Mai 2019 das Maglia Ciclamino nach Verona trug und somit die Punktewertung des 102. Giro d´Italia für sich entschied, war es der größte Erfolg, den je ein Deutscher

31.05.2020Arndt krönte seinen Giro über einen kleinen Umweg

(rsn) – Die Schlussetappe bei einer GrandTour zu gewinnen, ist immer etwas Besonderes. Beim Giro d`Italia 2016 gewann Nikias Arndt (Sunweb) das letzte Teilstück, das damals in Turin zu Ende ging.

31.05.2020Video- Rückblick: Als Lopez einem Zuschauer eine knallte

(rsn) - Am entscheidenden Tag des Giro d´Italia 2019 lagen die Nerven blank. Miguel Angel Lopez (Astana) befand sich in einer Verfolgergruppe die einem Trio Spitzenreiter Richard Carapaz (Movistar) n

31.05.2020Ackermann nimmt als erster Deutscher das Ciclamino mit heim

(rsn) – Gleich bei seiner ersten GrandTour überhaupt hat Pascal Ackermann (Bora – hansgrohe) geschafft, was vor ihm noch keinem seiner Landsleute beim Giro gelungen war. Der Landauer gewann 2019

30.05.2020Der Beginn von Marco Pantanis langem Leiden

(rsn) - Am Valentinstag, dem 14. Februar 2004, verstarb Marco Pantani in einem Hotelzimmer in Rimini an einer Überdosis Kokain. Doch so plötzlich sein Tod auch eingetreten ist, so elendig lang war d

29.05.2020“Il Falco“ demonstriert am Finestre seine Abfahrtskünste

(rsn) – Was haben Paolo Savoldelli, Alberto Contador und Simon Yates gemeinsam? Richtig, sie alle gewannen mindestens eine GrandTour. Alle trugen das Maglia Rosa beim Giro d’Italia. Und alle drei

28.05.2020Video-Rückblick: Simon Yates schlägt auch in Sappada zu

(rsn) - Nach der 15. Etappe des Giro d’Italia 2018 schien Simon Yates (Mitchelton - Scott) auf dem Weg zu seinem ersten Gesamtsieg bei einer GrandTour nicht mehr zu stoppen zu sein. In überragender

28.05.2020Bölts gewinnt überraschend die Königsetappe und rettet Telekom

(rsn) - Udo Bölts ist der Prototyp des selbstlosen Helfers, der Jan Ullrich durch die tiefsten mentalen Täler auf die schwersten Berge führte. Der Heltersberger ist aber auch ein großer Kämpfer.

27.05.2020Kluges verrückte letzte Minute in Cassano d´Adda

(rsn) - Beim Giro d’Italia 2016 räumten die deutschen Sprinter mit gleich sieben Etappensiegen groß ab. André Greipel war mit drei Tagessiegen dabei am erfolgreichsten, gefolgt von Marcel Kittel

26.05.2020Wütender Contador rächt sich für die Astana-Taktik

(rsn) – Im Sport gibt es zahlreiche Regeln, die für einen fairen Wettkampf sorgen sollen. Im Radsport werden diese Maßgaben vom Weltverband UCI vorgegeben. Sogar die Sockenlänge ist im Regelwerk

25.05.2020Video-Rückblick: Schachmann gelingt Giro-Coup in Prato Nevoso

(rsn) - Vor zwei Jahren fuhr Maximilian Schachmann beim Giro d’Italia den bis dahin größten Erfolg seiner Karriere ein. Der damals für das belgische Team Quick-Step Floors fahrende Berliner gewan

24.05.2020Video-Rückblick: Dumoulin muss “austreten“, Nibali schlägt Landa

(rsn) – Die Königsetappe des Giro d`Italia 2017 hielt eine der skurrilsten Szenen der vergangenen Jahre parat. Der Gesamtführende Tom Dumoulin musste wegen eines menschlichen Bedürfnisses 33 Kil

Weitere Radsportnachrichten

18.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wie geht´s zum Liveticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

18.04.2024TotA-Sturz: Harper kommt mit leichter Gehirnerschütterung davon

(rsn) – Entwarnung für Chris Harper: Der Australier von Jayco – AlUla ist bei seinem Sturz rund 25 Kilometer vor dem Ziel der Königsetappe der Tour of the Alps ohne schlimmeren Verletzungen dav

18.04.2024Die Aufgebote für das 8. Lüttich-Bastogne-Lüttich der Frauen

(rsn) – Mit der 8. Ausgabe des Lüttich-Bastogne-Lüttich der Frauen endet die Ardennenwoche. Während das Männerrennen von Lüttich aus nach Süden zum Wendepunkt in Bastogne und von dort wieder z

18.04.2024Die Aufgebote für das 110. Lüttich-Bastogne-Lüttich

(rsn) – Zum krönenden Abschluss der sogenannten steht am 21. April die 110. Ausgabe von Lüttich-Bastogne-Lüttich an. La Doyenne, wie das 1892 erstmals ausgetragene und damit älteste Eintagesrenn

18.04.2024Steinhauser: Giro-Test mit Prädikat sehr gut

(rsn) – Den Feinschliff für sein Grand-Tour-Debüt holt sich Georg Steinhauser (EF Education – EasyPost) derzeit bei der 47. Tour of the Alps (2.Pro). In wenigen Wochen geht es für den Allgäue

18.04.2024Belgrade Banjaluka: Ausreißer Albrecht zum Auftakt Zweiter

(rsn) – Zum Auftakt von Belgrade Banjaluka (2.2) hat das Team P&S Metalltechnik – Benotti einen starken Auftritt hingelegt. Auf der 140 Kilometer langen 1. Etappe zwischen Belgrad und Bijeljina b

18.04.2024Auf der Königsetappe macht Carr die schwachen Tage vergessen

(rsn) – Mit einem Soloritt über rund 30 Kilometer hat sich Simon Carr (EF Education – EasyPost) die Königsetappe der 47. Tour of the Alps (2.Pro) gesichert. Der 25-jährige Brite setzte sich üb

18.04.2024Hartmann: Aus “nur durchkommen“ wurden 74 km an der Spitze

(rsn) – Elena Hartmann bekam ihre völlig durchnässten Handschuhe kaum mehr von ihren frierenden Fingern. Als die 33-Jährige vom Team Roland oben auf der Mur de Huy 5:41 Minuten nach Siegerin Kata

18.04.2024Extrembedingungen beim Flèche, aber kein Schlechtwetterprotokoll

(rsn) – Zwei Rennen unter Extrembedingungen hart an der Grenze des Schlechtwetterprotokolls der UCI bot der Flèche Wallonne am Mittwoch: Nachdem beim Start der Männer um 11:15 Uhr in Chareleroi no

18.04.2024Trotz wenig Schlaf: Benoot holt ein “exzellentes Ergebnis“

(rsn) – Vor dem Start des 88. Flèche Wallonne in Charleroi hatte Tiesj Benoot (Visma – Lease a Bike) noch mehr über die Geburt von Töchterchen Loes gesprochen, die am Abend zuvor zur Welt gekom

18.04.2024Lüttich-Bastogne-Lüttich im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) – Lüttich-Bastogne-Lüttich bildet traditionell den krönenden Abschluss der Ardennenwoche. La Doyenne, das älteste Eintagesrennen der Welt, ist mit seinen kurzen, teils extrem steilen Anst

18.04.2024Lopez: “Einer der härtesten Tage meines Lebens“

(rsn) – Die 3. Etappe der Tour of the Alps 2024 wird den Teilnehmern lange in Erinnerung bleiben. Zwar hatte der 124,8 Kilometer lange Abschnitt rund um Schwaz in Tirol nur wenig an Spektakel zu bie

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour of the Alps (2.Pro, ITA)
  • Belgrade Banjaluka (2.2, BIH)