Kommentar zum Salbutamol-Fall

UCI und WADA lieferten sich mit Froome ein Schneckenrennen

Von Tom Mustroph

Foto zu dem Text "UCI und WADA lieferten sich mit Froome ein Schneckenrennen"
Chris Froome (Sky) | Foto: Cor Vos

12.07.2018  |  (rsn) - Die Welt-Antidoping-Agentur WADA reagiert auf öffentlichen Druck. Eine gute Woche nach dem blitzartigen Freispruch für Chris Froome (Sky) gab sie in einem längeren Kommuniqué jetzt mehrere neue Details bekannt. Sie ändern am Gesamtbild allerdings wenig. Die Kernaussage bleibt: Die WADA glaubte Froome, dass er die Einnahmelimits des Asthmamittels Salbutamol nicht überschritt und dass andere Faktoren für den erhöhten Wert verantwortlich sein könnten. Antidoping scheint vom biochemischen Feld nun in das der Theologie herüber zu wechseln; es geht nicht mehr um Fakten, sondern um Vertrauen und Glauben.

Interessant ist immerhin die Zeitleiste, welche die WADA offeriert. Danach einigten sich Froome und die UCI erst am 28. Dezember 2017 formal auf einen Verfahrensablauf. Die positive Probe stammt vom 7. September, also fast vier Monate vergingen bis dahin. Am 13. Dezember erst war die Nachricht von der Grenzwertüberschreitung an die Öffentlichkeit gelangt. Bis zum 31. Januar ließ sich der Brite Zeit, um bei der WADA nach den wissenschaftlichen Grundlagen für den Test nachzufragen. Die wiederum brauchte für die Antwort zwei Monate und lieferte am 5. März - ein echtes bürokratisches Schneckenrennen von beiden Seiten.

Interessant ist auch, dass das Anti-Dopingtribunal der UCI anfangs das Verfahren selbst führen wollte und die WADA explizit außen vor ließ. Wie es zustande kam, dass die WADA dann doch zur faktischen Entscheidungsinstanz wurde, ist aus dem Kommuniqué nicht herauszulesen.

Die WADA verweist darin zudem auf wissenschaftliche Studien aus den letzten 20 Jahren, die die bisherige Grenzwertfestlegung bestätigen sollen. Sie schreibt aber auch, dass sie nicht berechtigt sei, Datenmaterial aus anderen Studien zu veröffentlichen. Das sind offenbar Studien, die Zweifel an den Grenzwerten wecken und auf das Problem von "falsch positiven" Ergebnissen hinwiesen. Das genaue Material ist aber nicht zugänglich; damit bleibt die Entscheidungsgrundlage weiter im Nebel.

Das Paradoxe ist: Je mehr die WADA selbst zu dem Komplex veröffentlicht, desto größer werden die Zweifel an der Solidität ihrer Arbeit. Das ist der beunruhigendste Aspekt im ganzen Fall Froome.

Immerhin kommt der Radsport als solcher richtig gut weg bei einer statistischen Betrachtung des Asthmafeldes. Von den 57 Salbutamol-Fällen weltweit in den Jahren 2013 bis 2017 kamen laut WADA nur vier aus dem Radsport. "Salbutamol-Missbrauch ist kein größeres Problem des Radsports", meint die WADA. Wäre die Agentur eine Organisation, der man trauen kann, wäre das eine wirklich gute Nachricht. Aber kann man ihr glauben? Welch ein Dilemma.

Blickt man auf die Verurteilungsbilanz, dann hat Froome eher Glück gehabt. Immerhin 50 Prozent aller Fälle endeten laut WADA in einer Suspendierung, nur 14 Prozent mit einem Freispruch. Beim Rest kamen noch andere Parameter ins Spiel. Viele Fakten, viele Zahlen, aber wenig Licht in der Hauptsache. Für die einen wird Froome weiter komplett entlastet sein, für die anderen bleibt ein Geschmäckle.

Mehr Informationen zu diesem Thema

22.07.2018Madiot: “Der Radsport hat ein Glaubwürdigkeitsproblem“

Carcassonne (dpa) - Die Daumen nach unten, laute Buhrufe für das britische Sky-Team und sogar kleine Schubser gegen Chris Froome: Das Verhältnis zwischen Publikum und der britischen Star-Trupe bleib

13.07.2018Froome: WADA-Begründung für Freispruch noch nicht gelesen

Chartres (dpa) - Chris Froome (Sky) hat seinen Freispruch in der Salbutamol-Affäre erneut begrüßt, die nachgeschobene Begründung der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) "aber noch gar nicht richtig ge

10.07.2018Brailsford wird UCI-Chef Lappartient im Fall Froome Parteilichkeit vor

(dpa) - Erstmals in der Tour-Geschichte war Sarzeau heute Etappenort. Die Verbindung zum Radsport war für das 10 000 Einwohner große Städtchen vielleicht bei der Bewerbung nicht hinderlich: Weltver

06.07.2018Fall Froome: Martin kritisiert UCI und fordert Regeländerung

Berlin (dpa) - Der viermalige Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin (Katusha-Alpecin) hat den Radsportweltverband UCI erneut für den Umgang mit der Salbutamol-Affäre von Tour-de-France-Sieger Chris Froom

06.07.2018Froome: “Werde dem Gelben Trikot niemals Schande machen“

Paris (dpa) - Kurz vor dem Start der Tour de France hat der vom Dopingverdacht freigesprochene Vorjahressieger Chris Froome beteuert, dass er seine Siege ehrlich errungen hat. "Ich war völlig ehrlic

05.07.2018Denk zum Freispruch für Froome: “Bin froh, dass es kein Dopingfall ist“

Noirmoutier (dpa) - Bora-hansgrohe-Teammanager Ralph Denk hat das Ende des Ende des Verfahrens gegen Chris Froome (Sky) begrüßt. "Ich bin froh, dass es kein Dopingfall ist", sagte der Raublinger der

04.07.2018Froome bittet die Fans in Frankreich um Fairness

Saint-Mars-La-Reorthe (dpa) - Saint-Mars-La-Reorthe, die örtliche Turnhalle des Städtchens im Westen Frankreichs ist proppevoll: Am Mittwoch drängten sich beim ersten öffentlichen Auftritt Chris F

04.07.2018WADA: Kein Prominenten-Bonus für Froome

Paris (dpa) - Der am Montag vom Dopingvorwurf freigesprochene Chris Froome (Sky) hat Verständnis für seine Kritiker geäußert. "Der Radsport hat eine schwierige Geschichte, und ein mehrmaliger Tour

04.07.2018Die arithmetische Lex Froome

(rsn) - Mathematik ist zuweilen eine Zauberwissenschaft, sie kann Dinge verschwinden lassen - bei der Division durch Null - oder Positives in Negatives verwandeln - Multiplikation mit negativen Zahlen

03.07.2018Kerrison: “Wenn Chris gefordert ist, kann er alles zur Seite schieben“

Berlin (dpa) - Anti-Doping-Experten fordern Aufklärung zum umstrittenen Froome-Freispruch, und die französische Presse prophezeit dem britischen Seriensieger schwere drei Wochen. Alle rechtlichen

03.07.2018Anti-Dopingexperte Parisotto: “Es fehlen die Begründungen“

Berlin (dpa) - Anti-Doping-Experten kritisieren den Freispruch für den viermaligen Tour-de-France-Sieger Chris Froome und fordern vom Radsport-Weltverband UCI sowie von der Welt-Anti-Doping-Agentur W

02.07.2018“UCI-Urteil trägt nicht zur Glaubwürdigkeit des Radsports bei“

(rsn) - Nach rund neun Monaten hat der Radsportweltverband UCI am Montag das Verfahren gegen den viermaligen Tour-de-France-Gewinner Chris Froome (Sky) eingestellt. Der Brite hatte bei der Vuelta 201

Weitere Radsportnachrichten

23.04.2024Kletterspektakel mit gehörigem Zeitfahr-Einschlag

(rsn) – Die Tour de Romandie war einst die letzte große und wichtige Vorbereitungs-Rundfahrt für den Giro d´Italia. Giro-Favoriten entschieden sich damals zwischen der Schweizer Rundfahrt und dem

23.04.2024Startliste zum Prolog der 77. Tour de Romandie

(rsn) – Der Schweizer Nationalfahrer Luca Jenni eröffnet um 14.50 Uhr den Prolog zur 77. Tour de Romandie (2.WWT). Der nur 2,3 Kilometer lange Parcours von Payerne ist zwar bretteben, dürfte mit s

23.04.2024Tour de Romandie im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) - Die sechstägige Tour de Romandie (2.UWT) hält traditionell für jeden Fahrertypen etwas bereit. Ob Kletterer oder Zeitfahrspezialisten, Sprinter oder Klassikerjäger - sie alle bekommen ihr

23.04.2024Tour de France Femmes ohne Vorjahreszweite Kopecky

(rsn) – Die Vorjahreszweite Lotte Kopecky (SD Worx-Protime) wird auf die am 12. August in Rotterdam beginnende 3. Tour de France Femmes verzichten. Stattdessen wird sich die Weltmeistern auf die Oly

23.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

22.04.2024Highlight-Video der 2. Etappe der Türkei-Rundfahrt

(rsn) – Max Kanter (Astana Qazaqstan) hat nach der 2. Etappe der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) seinen ersten Profisieg bejubeln können. Der 26-jährige Deutsche setzte sich über 190 Kilometer von

22.04.2024Tour of Turkiye: Taktischer Fehler kostete Dorn das Bergtrikot

(rsn) – Auch auf der 2. Etappe der Tour of Türkiye (2.Pro) haben die deutschen Kontinental-Teams Bike Aid und Rembe Sauerland das Renngeschehen geprägt. Auf dem 190 Kilometer langen Teilstück zw

22.04.2024Kanter sprintet bergauf zu seinem ersten Profisieg

(rsn) – Max Kanter (Astana Qazaqstan) hat auf der 2. Etappe der 59. Türkei-Rundfahrt (2.Pro) seinen ersten Profisieg eingefahren. Der 26-jährige Deutsche setzte sich über 190 Kilometer von Kemer

22.04.2024Wiebes wie Kopecky bis Ende 2028 bei SD Worx – Protime

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

22.04.2024SD Worx - Protime: Sponsoren bleiben an Bord

(rsn) – Bei den Ardennenklassikern blieb das erfolgsverwöhnte Team SD Worx – Protime ohne Sieg. Dafür allerdings konnte der niederländische Frauen-Rennstall am Tag nach Lüttich-Bastogne-Lütti

22.04.2024Van der Poel: “Auch in Top-Form kann ich Tadej nicht folgen“

(rsn) – Auch wenn es nicht zum dritten Sieg bei einem Monument in dieser Saison reichte, gehörte Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) zu den Gewinnern des 110. Lüttich-Bastogne-Lüttich.

22.04.2024Bernal auf allerbestem Weg zurück in die Weltspitze

(rsn) – Am Ende stand für Egan Bernal (Ineos Grenadiers) in Lüttich der 21. Platz auf der Ergebnisliste. Doch das Resultat an sich spiegelte kaum wider, wie stark der Kolumbianer bei seinem Debüt

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de Romandie (2.UWT, SUI)
  • Radrennen Männer

  • Presidential Cycling Tour of (2.Pro, TUR)