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Sport Jörg Jaksche

"Nur der Dumme wird beim Dopen erwischt"

Jörg Jaksche: "BDR gibt eine hilflose Figur ab" Jörg Jaksche: "BDR gibt eine hilflose Figur ab"
Jörg Jaksche: "BDR gibt eine hilflose Figur ab"
Quelle: DPA
Nach seinem Dopinggeständnis sitzt der Ansbacher Radprofi Jörg Jaksche derzeit eine einjährige Wettkampfsperre ab. Mit WELT ONLINE spricht der 31-Jährige über seine geplante Aufklärungskampagne für junge Sportler und plädiert für schärfere Antidoping-Gesetze.

WELT ONLINE: Herr Jaksche, Sie sagen, für sie gelte mit Blick auf andere zunächst immer die Unschuldsvermutung. Angesichts Ihrer Insiderkenntnisse wirkt das kurios.

Jörg Jaksche: Letztlich muss jeder mit der ganzen Sache für sich selber klar kommen. Man kann sich die Dinge doch nicht so zurechtargumentieren oder zusammenreimen, wie man sie gerade braucht. Wissen Sie, ich komme noch aus der Generation der Doper. Ich wurde dort hinein erzogen, war Teil des Systems und fühle mich heute als Täter und Opfer gleichermaßen. Aber man kann doch nicht hingehen und allen aus der Generation das Radfahren verbieten. Man muss vielmehr ehrlich sein und sagen: „Okay, es war früher so – jetzt ist es anders!“

WELT ONLINE: Im Raum steht der Vorwurf, Weltmeister Paolo Bettini habe dem designierten Kronzeugen Patrik Sinkewitz Dopingpräparate verschafft. Wissen Sie von Radprofis, die auch als Dealer auftraten?

Jaksche (zögert): Ich persönlich habe nie etwas von einem anderen Radprofi angeboten bekommen. Es gibt einen Erfahrungsaustausch, ja, aber dass einer als Dealer aufgetreten ist? Nein! Allenfalls hat einer mal etwas verschenkt. Ich selber bin in Mannschaften gefahren, in denen das Doping systematisch organisiert war. Bei Bettini kann ich es mir schlecht vorstellen. Warum sollte er seine Karriere für ein paar Euro aufs Spiel setzen? Der verdient Millionen.

WELT ONLINE: Sind auch Sie wie Patrik Sinkewitz von der inzwischen zurückgetretenen Antidoping-Kommission des Bundes Deutscher Radfahrer verhört worden?

Jaksche: Nein, aber sie hat meine Unterlagen erhalten. Soweit ich weiß, sind auch davon Informationen raus gegangen.

WELT ONLINE: Welche Figur gibt der BDR ab in diesem Zirkus?

Jaksche: Eine hilflose. Das Dopingproblem ist schwer zu greifen und in den Griff zu bekommen. Nach all meinen Erfahrungen sage ich: der Antidopingkampf gehört in Staatshände.

WELT ONLINE: Gäbe es ein Antidopinggesetz in Deutschland, hätten wohl auch Sie härtere Strafen zu befürchten gehabt.

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Jaksche: Wenn es ein solches hartes Gesetz gegeben hätte, hätte ich mir fünfmal länger überlegt, ob ich so dope, wie ich es getan habe, oder nicht. Die Abschreckung ist größer. Es muss ja keine Haftstrafe sein, aber zu bestimmten Teilen eine staatliche Kontrolle. Nichts gegen die Antidoping-Kommission des BDR – aber ich weiß nicht, wie damit ein Dopingring gesprengt hätte werden sollen.

WELT ONLINE: Der Sport in Deutschland will die Antidoping-Rechtssprechung unbedingt in den eigenen Händen behalten. Das aber wäre nur sinnvoll, wenn die Schlupflöcher für Betrüger im Kontrollsystem entsprechend klein wären. Sind sie es?

Jaksche: Es gibt immer noch viele Möglichkeiten zu betrügen, ohne dass jemand es nachweisen kann: Eigenbluttransfusionen, Wachstumshormone, künstliches Hämoglobin¿ Momentan muss man sagen: Der Dumme wird erwischt. Oder der Arme, der sich teures Doping nicht leisten kann.

WELT ONLINE: Sie sagen, sie hätten für sich die Entscheidung gefällt, einen neuen Radsport zu betreiben. Wollen das andere auch?

Jaksche: Na ja, die Chancen, dass ich noch einmal als Radprofi fahren werde, sind sehr niedrig. Man geht auf Abstand zu mir. Nach außen wird gelobt, dass meine Aussagen Bewegung in den Antidopingkampf gebracht haben – nach innen hin werde ich bestimmt hier und dort als Denunziant beschimpft.

WELT ONLINE: Sie könnten ja beim Manager des T-Mobile-Teams nachfragen. Der ist auch an Erik Zabel dran und hat gerade den früheren Lance-Armstrong-Helfer George Hincapie aus den USA verpflichtet.

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Jaksche: Ich glaube zumindest, T-Mobile nimmt seinen strikten Antidopingkurs sehr ernst. Die Verpflichtung von Hincapie spricht nicht dagegen. Er schließt sich immerhin dem Team mit dem weltweit besten Antidopingprogramm an. Ich finde, man sollte nicht nur schauen, woher einer kommt, sondern auch, wohin einer geht.

WELT ONLINE: Auch wenn Eufemiano Fuentes vielleicht nicht mehr praktiziert, so tun es andere Ärzte offenbar nach wie vor, wenn man sich die phänomenalen Leistungen einiger Radsportler anschaut.

Jaksche: Es gibt noch zig andere Ärzte im Radsportmilieu, die in Sachen Doping aktiv sind und eine einseitige monetäre Abhängigkeit von Radteams haben. Manche Teams wollen Leistungen haben, egal um welchen Preis.

WELT ONLINE: Rolf Aldag und Zabel sollen nach dem Willen des Deutschen Olympischen Sportbundes Präventionsarbeit leisten. Sie auch?

Jaksche: Nein. Aber ich stehe mit einem Buchverlag in Kontakt. Ich möchte mit einer Aufklärungskampagne die Frage klären: Wie kommt ein 19 Jahre alter Abiturient aus einer Kleinstadt und gutbürgerlichem Hause mit bodenständigem Familienhintergrund dazu, am Ende vier Blutbeutel bei Fuentes zu haben. Diese Wege möchte ich aufzeigen.

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