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Sport Erik Zabel

"Verständlich, dass Jan Ullrich einen Hals hat"

Quelle: DPA
Am Donnerstag durfte sich Erik Zabel bei der Tour de France für einen Tag das Grüne Trikot überstreifen – sieben Wochen, nachdem er einem Millionenpublikum offenbart hatte: „Ich habe gedopt." Dass sein ehemaliger Teamkollege Jan Ullrich auf stur schaltet, kann der 37-Jährige nachvollziehen.

WELT ONLINE: „Zabel in Grün“ – hätten Sie diese Schlagzeile noch einmal erwartet?

Erik Zabel: Nein. Das war eine Überraschung, auch für mich.

WELT ONLINE: Erst Ihr Doping-Geständnis, ein paar Tage später der Start vor jubelnden Zuschauern bei der Bayern-Rundfahrt, nun die Teilnahme an der Tour de France mit Hunderttausenden am Straßenrand. Kommt es Ihnen im Nachhinein manchmal surreal vor, was in den vergangenen Wochen passiert ist?

Zabel: Ja, es ist bizarr. Manchmal komme ich mir vor wie ein Wandler zwischen zwei Welten. Auf der einen Seite ist da diese – sicherlich berechtigte – ethisch-moralische Debatte, insbesondere von Politik und Sportpolitik. Auf der anderen Seite ist da der Zuspruch der Zuschauer am Straßenrand und der Fans, die unbeeindruckt von der Debatte scheinen. Man sollte sich vom Start in London mit über einer Million Zuschauer zwar nicht blenden lassen, aber als Rennfahrer habe ich subjektiv den Eindruck: Der Radsport lebt.

WELT ONLINE: Ist die Dopingdiskussion vornehmlich eine deutsche?

Zabel: Ja ( schmunzelt ).

WELT ONLINE: Und werfen Sie das den deutschen Medien vor?

Zabel: Nee. Ich bin ohnehin nicht in der Position, Vorwürfe an andere Leute zu richten. Ich denke, es gibt eben eine besondere Sensibilität gegenüber dem Thema Doping in Deutschland. Der Radsport hat im Grunde erst durch Jan Ullrich 1996/97 einen enormen Boom erfahren. In anderen Ländern – Frankreich, Italien, Belgien beispielsweise – sind die Strukturen ganz anders gewachsen. Wobei ich nicht sage, dass die Einstellung in Deutschland eine schlechte ist.

WELT ONLINE: Wie gehen die anderen Fahrer im Peloton während dieser Tour de France mit Ihnen um? Wie haben sie auf Ihr Outing reagiert?

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Zabel: Der eine oder andere Kollege redet inzwischen kein Wort mehr mit mir. Es gehen aber auch erstaunlich viele Rennfahrer auf mich zu, die mir gratulieren und Zuspruch geben. Junge Franzosen zum Beispiel, bei denen ich hinterher erst mal einen Blick auf Trikotnummer und Namen werfen muss, um zu wissen, wer das war ( lacht ). Bei der Bayern-Rundfahrt wenige Tage nach meinem Outing war das Thema aber deutlich aktueller. Dort habe ich auf jede Geste, jede Bemerkung anderer Fahrer geachtet, war wesentlich angespannter.

WELT ONLINE: Gab es auch offene Anfeindungen von Radsport-Kollegen?

Zabel: Am Tag meines Outings lief in Italien der Giro. Gerade von dort gab es einige kritische Stimmen ( Gesamtsieger Danilo di Luca etwa sagte: „Die sollten lieber den Mund halten, das ist doch alles kalter Kaffee und elf Jahre her“ – d.R. ). Italiener und

Spanier denken sich halt: Was ist denn mit denen los? Warum müssen die dem Image des Radsports so schaden mit ihren alten Geschichten? Dass das Enthüllungsbuch meines früheren Pflegers Jef D’hont der Auslöser war auch für mein Outing, war denen gar nicht bewusst. Mittlerweile ist auch bis dorthin durchgedrungen, dass es in Deutschland eine besondere Situation gegeben hat. Dass wir nicht alles aus freien Stücken erzählt haben, liegt auf der Hand.

WELT ONLINE: Patrice Clerc, Präsident der Tour-Organisatorin ASO, will Ihnen Ihr Grünes Trikot von 1996 wieder aberkennen lassen, weil Sie damals gedopt fuhren.

Zabel: Ehrlich gesagt bin ich überrascht, dass der Vorschlag erst jetzt kommt. Wahrscheinlich hat mein Fall zunächst keine Rolle gespielt, weil es um Bjarne ( Riis, geständiger Toursieger von 1996 – d.R. ) ging. Vom Standpunkt der ASO aus wäre es eigentlich nur verständlich und fair, wenn nicht nur Riis sein Gelbes Trikot abgeben müsste, sondern ich auch mein Grünes.

WELT ONLINE: Werden Sie es freiwillig abgeben?

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Zabel: Darüber hatte ich mir vor dem Tourstart schon Gedanken gemacht. Jetzt ist die Frage da – und es wäre nur ein konsequenter Schritt.

WELT ONLINE: Lagert Ihr Trikot denn auch wie das von Bjarne Riis in einem Pappkarton in der Garage?

Zabel: Nee ( lacht ). Es hängt schön eingerahmt und vakuumverpackt daheim an der Wand. Ich werde es dann jetzt wohl abnehmen müssen. Das tue ich zwar nicht gern, aber wenn es der Sache dient ...

WELT ONLINE: Was halten Sie von dem zuletzt diskutierten Vorschlag einer Generalamnestie für geständige Doper?

Zabel: Ich hatte nach meinem Outing ein persönliches Gespräch mit dem Vorsitzenden des Sportausschusses im Bundestag, Peter Danckert. Er hat mit mir ziemlich offen über diese Idee gesprochen. Ich sehe eine Amnestie als Chance für den Radsport. Internationales Olympisches Komitee, UCI und die nationalen Verbände könnten einen Stichtag vorschlagen, bis zu dem jeder die Chance hat, ohne Konsequenzen und im Sinne einer Vergangenheitsbewältigung Doping zu gestehen. Klar ist aber auch: Kritiker werden im Nachhinein besondere Leistungen immer infrage stellen. Und es darf nicht so sein, dass die nachfolgenden Generationen sich des Detailwissens bedienen, das dann öffentlich ist.

WELT ONLINE: Jan Ullrich warf Ihnen und Rolf Aldag via „L’Equipe“ vor, Sie hätten ihre Fehler eingestehen müssen, „um weiter arbeiten zu können“. Er hingegen sei frei und unabhängig von Sponsoren und schulde niemandem etwas. Was sagen Sie dazu?


Zabel: Völlig unabhängig von meiner Person muss man sagen, dass im Rechtsstaat das Unschuldsprinzip so lange gelten muss, bis jemandem das Gegenteil bewiesen ist. Jan Ullrich, Ivan Basso, Michele Scarponi und Jörg Jaksche sind bislang die Einzigen, die in der „Operacion Puerto“-Affäre die Suppe auslöffeln sollen. Insofern ist es verständlich, dass Jan einen dicken Hals hat. Ganz ehrlich: Sein Vorwurf ist für mich sogar verständlich.

WELT ONLINE: Auf eine mögliche Teilnahme an den Olympischen Spielen 2008 in Peking verzichten Sie, das ist jetzt bereits klar. Aber werden Sie bei den Weltmeisterschaften Ende September in Stuttgart starten?

Zabel: Es ist noch zu früh, darüber eine Aussage zu treffen. Das Kernteam wird Ende August, Anfang September selektiert, Mitte September wird endgültig nominiert. Ich gehe davon aus, dass wir uns die Zeit bis dahin nehmen sollten...

WELT ONLINE: ...um die Debatte um Ihre Person zu Ende zu führen?

Zabel: Genau.

WELT ONLINE: Möchten Sie denn bei der Weltmeisterschaft starten?

Zabel: Ja, natürlich würde ich gern fahren. Ich weiß aber auch, dass der Bund Deutscher Radfahrer enorm unter Druck steht, was eine Finanzierung der WM betrifft und dass gewisse Bedingungen an die Fördermittel geknüpft sind. Wenn dieser Druck oder der auf meine Person zu groß werden sollte oder ich zur Belastung werde, etwa für einen jungen Rennfahrer wie den Deutschen Meister Fabian Wegmann, dann möchte ich in Ruhe noch einmal mit dem BDR-Präsidium sprechen. Dann werden wir eine andere Lösung finden.

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