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Jaksche-Beichte "Fuentes sprach von Doping wie vom Windelwechseln"

So detailliert wie Jörg Jaksche im SPIEGEL hat noch kein Radprofi über das Dopingsystem ausgepackt - auch nicht über den Madrider Arzt Eufemiano Fuentes. Im dritten Teil des Interviews spricht Jaksche über den "Meister der Tarnung" und beschuldigt auch seinen Ex-Teamchef Bjarne Riis.

Am Ende des Jahres 2003 zog sich der Sponsor Once zurück, das Team löste sich auf. Jaksche verhandelte zunächst mit dem Team Gerolsteiner, schloss sich dann aber der dänischen Mannschaft CSC an. Er erhielt einen Zweijahresvertrag über 500.000 Euro pro Jahr, im Vertrag stand die Klausel: Wer dopt, fliegt raus. Es war ein Paragraf, mit dem damals jede Teamleitung ihren hartnäckigen Kampf gegen das Doping demonstrieren wollte.

Chef des Rennstalls war Bjarne Riis, Tour-Sieger von 1996. Riis hat unter Fahrern einen guten Ruf als Sportlicher Leiter. Er ist akribisch und kennt sich aus. Der ehemalige Telekom-Masseur Jef D'hont nennt ihn wegen seiner hohen Hämatokritwerte "Mister 64 Prozent".

SPIEGEL: Warum sind Sie zum Team CSC von Bjarne Riis gewechselt?

Jaksche: Sagen wir es so: Seine Vorgeschichte als Fahrer war kein Grund, mich gegen ihn zu entscheiden. Es war aber auch kein Grund für mich, zu ihm zu gehen, nach dem Motto: Der weiß, wie's geht. Mich hat beeindruckt, wie er aus Fahrern wie Laurent Jalabert oder Tyler Hamilton noch mal viel Leistung herausgekitzelt hat. Er ist ein Pragmatiker, versucht, immer das Maximale herauszuholen. Ich kannte Riis schon länger, er wohnt in der Nähe von Lucca. Anfang des Jahres 2004 haben wir uns zum Skifahren in Abetone verabredet. Wir sitzen also im Doppelsessel des Skilifts und unterhalten uns über den Rennkalender und kommen ganz nebenbei darauf zu sprechen, was man als Fahrer so machen kann, um seine Leistung zu steigern, so wie damals Pevenage bei Telekom. 2004 war ein schwieriges Jahr, die Geschäftsgrundlage hatte sich geändert. Es gab jetzt auch einen Test zum direkten Nachweis von Epo, es wurden auch Kontrollen in der Trainingsphase vorgenommen. Die ersten 50 der Weltrangliste mussten jetzt ihren Aufenthalt für Trainingskontrollen melden. Da hatte ich oft das Gefühl der Panik. Kann ich keine Leistung mehr bringen? Kann ich noch Geld verdienen? Wie erkläre ich meinen Leistungsabfall? Dahinter stand der Gedanke: Das ist ungerecht. Die ersten 50 werden kontrolliert, die anderen nicht. Deshalb suchst du irgendwann nach anderen Lösungswegen, um auf ein ähnliches Leistungsniveau wie bisher zu kommen.

SPIEGEL: Wie oft wurden Sie kontrolliert?

Jaksche: Die Trainingskontrollen waren nur sporadisch und eher lasch. Ich hätte einfach nur zur Tür gehen müssen, den Namen meines Bruders angeben, und die Kontrolleure wären wieder weggefahren. Ich bin nur sehr selten in der Trainingsphase überprüft worden. Bjarne und ich haben offen über mein Problem mit den Trainingskontrollen geredet.

SPIEGEL: Gab es bei Riis organisiertes Doping?

Jaksche: Riis wusste natürlich über Doping Bescheid, er sagte, was Sache ist. Ich glaube, er war in dem Zwiespalt, zwischen dem, was in seiner aktiven Zeit möglich war, und dem, was heute noch möglich ist. Es war eine Gratwanderung zwischen der Vision eines sauberen Radsports und dem Wissen, dass es ohne Doping nicht geht. Es gab dann die Möglichkeit, Synacthen zu nehmen und Sachen, die so halblegal sind, weil sie offiziell nicht auf der Doping-Liste standen. Aber der Zweck war der gleiche: Doping. Generell ging das Niveau in diesem Jahr ein bisschen runter, die Geschwindigkeit am Berg war etwas geringer. Kein Vergleich zum Jahr 1997, als der 50er Hämatokritwert eingeführt wurde.

SPIEGEL: Was nahmen Sie unter Riis?

Jaksche: Epo, aber nur bis Paris-Nizza, danach wurde es, wie schon gesagt, zu gefährlich. Zu Bjarne habe ich gesagt: "So, meine Leistung habe ich für dieses Jahr gebracht. Ich will jetzt kein Risiko mehr eingehen." Kortison haben wir dagegen praktisch über die gesamte Saison genommen. Das steht zwar auch auf der Doping-Liste, ist aber unter bestimmten Auflagen erlaubt - etwa wenn man eine Bescheinigung hat, Asthmatiker zu sein. So konnte man es zu den Rennen mitnehmen, ohne Angst vor einer Razzia zu haben. Kortison gab es zu den Rennen intramuskulär, weil es so den größten Effekt hat.

Im Februar 2004 gewann Jörg Jaksche die Mittelmeer-Rundfahrt, vier Wochen später die Rundfahrt Paris-Nizza. "Vom kleinen Wasserträger zum großen Hoffnungsträger", schrieb der "Kicker". Bei einer Trainingsfahrt im April stürzte Jaksche, brach sich den Ellenbogen und wenige Tage vor dem Start der Tour de France sogar ein zweites Mal. Während Armstrong in Frankreich wieder einmal über Ullrich triumphierte, bereitete sich Jaksche auf die Klassiker im Spätsommer vor. Doch er stürzte noch einmal, brach sich diesmal die Schulter. Nach dem starken Beginn war 2004 ein Seuchenjahr.

Ende 2004 geriet Riis mit seinem Team in finanzielle Schwierigkeiten. Er war bereit, Jaksche ziehen zu lassen. Jaksches alter Once-Teamleiter Saiz hatte mit dem Versicherungsunternehmen Liberty Seguros einen neuen Geldgeber gefunden und machte Jaksche ein Angebot. Jahresgehalt: rund 500.000 Euro. Zum neuen Team von Liberty Seguros gehörte auch ein bekannter Arzt: Eufemiano Fuentes, damals 49 Jahre alt, bis 2003 Teamarzt beim spanischen Team Kelme.

SPIEGEL: Haben Sie jemals mit Saiz konkret über Doping gesprochen?

Jaksche: Nein, das war so ein Wir-wissen-worum-es-geht. Er hat auch den Namen Fuentes nie erwähnt, er sagte nur irgendwann, dass mich ein Arzt anrufen wird. Ich kannte Fuentes vom Hörensagen, er rief mich kurz nach Silvester an, es war kalt, ich war mit Freunden in den Bergen, ich ging nach draußen in den Schnee, weil ich ja nicht wollte, dass irgendjemand das Gespräch mithört. Fuentes sagte: Hallo, hier ist Eufemiano. Er schlug vor, dass ich mal nach Gran Canaria komme, wo er wohnt. Und dann bin ich runtergefahren.

SPIEGEL: Wann?

Jaksche: Mitte Januar 2005. Fuentes holte mich in seinem klapprigen Toyota vom Flughafen ab. Wir kamen sehr zügig zur Sache und gingen das ganze Programm durch. Als Erstes sprach er von Anabolika, aber die wollte ich nicht, weil große Muskelpakete hinderlich sind in den Bergen. Dann künstliches Hämoglobin, irgendwelches Zeug aus Russland, tiefgefroren. Das war mir zu gefährlich. Dann kamen wir auf Epo, aber das wollte ich nicht wegen der Trainingskontrollen. Er sagte, dass er ein Mittel habe, um Epo-Doping zu vertuschen, das hat er mir später mal in so einer kleinen Pillendose mitgegeben, und das mixte man in den abgegebenen Urin. Fuentes hat quasi seinen gesamten Katalog aufgeblättert und mich gefragt, welches Risiko ich eingehen wolle. Mit Risiko meinte er das Risiko, erwischt zu werden, nicht das gesundheitliche Risiko. So kamen wir auf Eigenblut-Doping. Die Methode war komplett neu für mich, aber er redete davon wie andere Leute vom Windelwechseln.

SPIEGEL: Was für ein Typ ist Fuentes?

Jaksche: Er stammt aus einer angesehenen Familie auf Gran Canaria und legt keinen großen Wert auf großspurige Auftritte in der Öffentlichkeit. Fuentes ist einer dieser Sportmediziner, die sich freuen, wenn ihre Fahrer vorn sind, weil sie dies auch als ihren eigenen Triumph ansehen. Fuentes hatte keine Praxis, noch nicht einmal zur Tarnung. Sein Geschäft betrieb er in einem Apartment in der Calle Caídos de la División Azul. Er ist nicht so ein spanischer Metzger. Er hat etwas Geniales an sich, auch wenn er manchmal ein bisschen durchknallt. Das ist so einer, der auch mal bei Rot über die Ampel fährt, um zu schauen, was passiert.

SPIEGEL: Hatten Sie dann später auch privat Kontakt zu ihm?

Jaksche: Ja. Ich hatte ihm mal erzählt, dass mein Vater Augenarzt ist. Fuentes hat eine kleine Tochter, bei der kurz nach der Geburt Augenkrebs festgestellt worden war. Er hat mich gefragt, ob ich ihm helfen könne. Da ein Augapfel fehlte, wuchs der Schädel des Mädchens ungleichmäßig. Er hat mir medizinische Unterlagen und Bilder seines Kindes gegeben, die ich dann an meinen Vater weitergeleitet habe. Mein Vater hat Kontakt zu Chefärzten in München und Münster, denen er die Dokumente weitergeschickt hat.

SPIEGEL: Hat Fuentes Ihnen beim ersten Treffen auf Gran Canaria schon Blut abgenommen?

Jaksche: Ja, das war in meinem Hotelzimmer und lief ab wie bei einer Blutspende. Ich habe mich auf eine Couch gelegt, dann wurde die Kanüle angelegt, das Blut floss raus, und nach gut einer halben Stunde war ein halber Liter abgezapft.

"Blutzufuhr an sich ist schon eklig"

In der DDR wurde schon in den siebziger Jahren mit Blutaustausch experimentiert, die Methode geriet aber in Vergessenheit, weil das systematisch organisierte Anabolika-Doping größere Erfolge versprach. Fuentes hat Jaksche erzählt, dass er selbst eine Zeitlang in der DDR gewesen sei und sich dort mit Trainern und Ärzten ausgetauscht habe. Es ist wohl unwahrscheinlich, dass sich Fuentes hier viel Wissen besorgt hat. Blut-Doping gab es auch im Westen. Der viermalige Langstrecken-Olympiasieger von 1972 und 1976 Lasse Virén gilt als ein Pionier des Verfahrens, sich vor den Rennen Blut zuzuführen, das man sich zuvor bei einem Höhentrainingslager entnommen hat. Danach geriet die Methode außer Mode. Zu hoch der Aufwand und zu wenig Ärzte, die dabei mitmachten.

SPIEGEL: Wussten Sie von anderen Fahrern, die sich von Fuentes das Blut austauschen ließen?

Jaksche: Fuentes war ein Meister der Tarnung. Keiner seiner Kunden wusste vom anderen. Noch nicht einmal in unserem Team war genau bekannt, ob noch mehr Fahrer bei ihm sind.

SPIEGEL: Sie glaubten doch nicht im Ernst, dass Fuentes Sie exklusiv betreute?

Jaksche: Nein, aber Fuentes hat dich in diesem Glauben gelassen. Ein Fahrer hat mir später erzählt, Fuentes habe ihm gesagt, er solle ihm ein bisschen mehr bezahlen, dann betreue er ihn exklusiv. Vermutlich hat Fuentes es mit anderen Top-Fahrern wie Ullrich genauso gemacht. Zumindest schließe ich das aus den bekanntgewordenen Honoraren der Operación Puerto.

SPIEGEL: Wie liefen die Treffen ab?

Jaksche: Ich musste in einem Café in der Nähe warten, manchmal nur fünf Minuten, manchmal auch zwei Stunden. Fuentes persönlich setzte dann die Nadel an. Ich habe mir gedacht, du musst das jetzt machen, wenn du mithalten willst. Und da waren keine Quacksalber am Werk. Merino Batres, der Helfer von Fuentes, versteht sein Handwerk, der war angeblich 40 Jahre lang Chef der Madrider Blutbank. Und Fuentes war so ein Arzt, der dich aufgeklärt hat. Während das Blut rauslief, hat er erzählt, wie das Blut gekühlt und aufbewahrt wird. Das Gefährlichste, was passieren könne, sei, dass Bakterien ins Blut gelangen. Deshalb hat er viel Wert auf Hygiene gelegt. Mein Arm wurde immer mit rotem Desinfektionsmittel eingeschmiert, so als wollte er mir Gott weiß was aufschneiden.

SPIEGEL: Ist Blut-Doping unangenehmer als die Epo-Spritze?

Jaksche: Der Akt der Blutzufuhr an sich ist schon eklig. Auf der anderen Seite hast du ein reines Gewissen, du sagst dir: Okay, ich muss keine Angst haben bei der Kontrolle. Es sind keine gefährlichen Substanzen, es ist mein eigenes Blut. Für mich war das kein Doping. Für mich war es Anpassung an das System.

2005 war Jaksche im Team von Saiz wieder als Edelhelfer vorgesehen, diesmal für den Spanier Roberto Heras. Beim Critérium International in den Ardennen wurde er Dritter und gewann die Bergwertung. Beim Etappenrennen Paris-Nizza belegte er Platz fünf, ein Sturz verhinderte eine bessere Plazierung. Vor seinem Lieblingsrennen hatte er sich erstmals einen der gebunkerten Blutbeutel reinfundieren lassen.

Eigenblut-Doping ist logistisch hochkompliziert. Die Termine für die Blutabnahme und die Blutzufuhr müssen festgelegt werden, dabei muss Fuentes berücksichtigen, dass er dem Fahrer immer nur einen halben Liter Blut abnehmen kann und der Körper bis zu vier Wochen braucht, bis er das alte Blut ersetzt hat. In dieser Zeit ist der Körper geschwächt und der Sportler bei Rennen nicht einsetzbar.

Und weil die Blutbeutel maximal vier Wochen haltbar sind, wird bei einem Fahrer während des ganzen Frühjahrs Blut ausgetauscht. Bei der ersten Abnahme gibt der Athlet einen halben Liter Blut ab, beim zweiten Besuch vier Wochen später einen ganzen Liter, bekommt aber den ersten halben Liter wieder zugeführt. So hat Fuentes einen Liter Frischblut, der Fahrer verliert jedoch nur einen halben Liter. Beim dritten Besuch der gleiche Vorgang: Der Athlet gibt einen Liter ab, bekommt aber einen halben Liter wieder zurück. So hatte ein Fahrer immer zwei frische Beutel im Kühlschrank. Das ist ein ziemlich großer Aufwand, erst recht, wenn mehr als 50 Fahrer auf der Kundenliste stehen.

Auch der Transport der Beutel ist kompliziert. Die Päckchen müssen gekühlt und beim Einsatz in ganz Europa über die Grenzen transportiert werden. Weil es in Frankreich ein Anti-Doping-Gesetz gibt, holte sich Jaksche vor dem Start der Tour de France 2005 die erste Ration frisches Blut in Madrid ab und ging also frisch gedopt auf die erste Etappe.

Jaksche: Das war wie ein ständiger Ölwechsel. Bei mir hat es anfangs aber nicht so toll funktioniert, weil mich diese Rein- und Raustauscherei kaputtgemacht hat. Deshalb habe ich den Einsatz auf ein Minimum reduziert. Für zwei Klassiker, für das Rennen Paris-Nizza und für die Tour de France.

SPIEGEL: Und wie funktionierte das dann während einer Rundfahrt?

Jaksche: Da zeigt sich die logistische Meisterleistung von Fuentes. Der hatte überall seine Mitarbeiter. 2005 führte die Tour durch Deutschland. Also bin ich im Frühsommer von Ansbach nach Bad Sachsa in den Harz gefahren. Dort hat mir ein Dr. Choina einen halben Liter Blut abgenommen. Zum verabredeten Termin am 8. Juli kam Choina dann nach Karlsruhe und hat es mir für den Rest der Tour zurückgegeben. Es dauert zwei Tage, bis sich das zugeführte Blut verstoffwechselt hat. Aber dann fühlt man sich einfach besser. Du merkst, dass du am Berg länger vorn mitfahren kannst. Du hast dabei nicht weniger Schmerzen, aber die Schmerzgrenze liegt höher. Denn in den Blutbeuteln ist ja mehr drin als die roten Blutkörperchen, die du zum Transport des Sauerstoffs brauchst: körpereigenes Wachstumshormon und Testosteron, Vitamine, Proteine. Das wirkt wie eine Verjüngungskur.

SPIEGEL: War die Tour 2005 eine Tour der Eigenblut-Doper?

Jaksche: Irgendwann wird dir klar, dass das, was du machst, keine Sonderbehandlung ist. Ich hatte mich mit meinem eigenen Blut gedopt und trotzdem weiterhin die gleichstarken Gegner. Es war ja nicht so, dass ich eine Atombombe hatte und die anderen kämpften immer noch mit der Machete. Man lernt: Es gibt ein neues System, sich den Kontrollen zu entziehen.

"Blut sollte in der Bretagne gebunkert werden"

Eine Magenverstimmung auf einer schwierigen Pyrenäen-Etappe kostete Jaksche den erhofften Platz unter den Top Ten. Im Gesamtklassement belegte er als bester Deutscher hinter Jan Ullrich den 16. Rang. Mit der Tour war sein letzter Blutbeutel für dieses Jahr verbraucht. Er fuhr noch die Deutschland-Tour und erreichte dort den vierten Platz. Im September traf er bei der Weltmeisterschaft in Madrid Fuentes, um die Zusammenarbeit für die neue Saison zu besprechen.

2006 sollte Jaksche von Fuentes' neuem Kühlsystem profitieren, ein Aggregat, das angeblich die Amerikaner für den Vietnam-Krieg erfunden haben. Dabei wird das abgegebene Blut zentrifugiert und dann auf mehr als minus 80 Grad eingefroren. Der Vorteil gegenüber dem alten System: Das Blut ist zehn Jahre lang haltbar. So können viel mehr Beutel gelagert werden, der stetige Austausch von altem und neuem Blut entfällt. In der Winterpause fuhr Jaksche regelmäßig nach Madrid, einmal im Monat.

Jaksche: Fuentes war inzwischen bei Saiz in Ungnade gefallen. Einer unserer Fahrer war in der ersten Hälfte der Saison wegen eines Hämatokritwerts von über 50 mit einer Schutzsperre belegt worden. Danach gab es keine Kooperation des Teams mehr mit Fuentes. Aber Saiz erlaubte es trotzdem, dass ich weiter privat mit Fuentes zusammenarbeitete, allerdings auf eigene Kosten. Fuentes und ich haben uns dann Anfang 2006 in Madrid getroffen. Er sagte mir, was ich zu zahlen habe: 10.000 Euro für die erste Rate. Die habe ich ihm überwiesen. Das Komplettprogramm mit allem Drum und Dran sollte 30.000 Euro kosten. Wir haben nicht großartig verhandelt, der Preis erschien mir fair, er musste die Geräte bezahlen, seine Helfer, außerdem ging er ja auch ein gewisses Risiko ein.

SPIEGEL: Wie funktionierte das neue System?

Jaksche: Ich bin zum Reinfundieren immer über Madrid zu den Rennen gefahren. Fuentes ist dann meist morgens oder abends ins Hotel gekommen. Er war dabei oft gestresst, weil er vor großen Rennen viel zu tun hatte. In den Unterlagen der Guardia Civil steht, dass er einmal 72 Stunden am Stück gearbeitet haben soll.

SPIEGEL: Was war Ihr Plan für 2006?

Jaksche: Für die erste große Frühjahrsrundfahrt, einen weiteren Klassiker und natürlich für die Tour de France sollte ich frisches Blut bekommen. Das war der Jahreshöhepunkt. Geplant war, dass ich vor der Tour nach Madrid komme, und für die zweite Hälfte der Tour sollte Blut in der Bretagne gebunkert werden.

Fuentes und Jaksche haben sich das letzte Mal gesehen in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai, in Madrid, in Zimmer 605 des Hotel Puerta, dort, wo Saiz öfter sein Team zusammenkommen ließ. Fuentes nahm ihm an diesem Abend noch einmal Blut ab. Zehn Tage später, am 23. Mai, durchsuchte die spanische Polizei das Labor des Fuentes-Helfers Merino Batres und die Apartments von Fuentes in der Calle Alonso Cano und in der Calle Caídos de la División Azul. Sie fanden mehr als 220 Blut- und Plasmabeutel, dazu große Mengen Wachstumshormon, Anabolika und Epo. Beim Verlassen eines Hotels nahmen sie Jaksches Teamleiter Saiz und Fuentes fest. Saiz hatte 30.000 Euro und 28.000 Schweizer Franken in bar dabei und eine Kühltasche, darin vier Packungen Synacthen.

SPIEGEL: Wieso wollte Saiz dieses Geld an Fuentes zahlen, die beiden hatten doch gar keinen Kontakt mehr?

Jaksche: Meines Wissens nach waren es Restschulden von Saiz an Fuentes aus dem Jahr 2005, die er begleichen musste. Saiz hatte Probleme mit einem Spitzenfahrer aus seinem Team, der zu Beginn des Jahres zu Liberty Seguros gewechselt war und einen sehr schlechten Frühling hatte. Der Fahrer und sein Manager, der seit fünf Jahren auch mein Manager war, hatten Saiz unter Druck gesetzt. Sie wollten eine bessere medizinische Betreuung, und Saiz ließ sich darauf ein, er war in einer Zwickmühle: Der Spitzenfahrer ist teuer, Saiz musste sich vor seinen Sponsoren rechtfertigen.

SPIEGEL: Könnte es sein, dass es sich bei dem Fahrer um Alexander Winokurow und bei dem Manager um Tony Rominger handelt? Warum nennen Sie nicht die Namen?

Jaksche: Noch einmal, ich will keine Fahrer belasten. Saiz ist wegen dieses Fahrers zurück zu Fuentes, deswegen musste er die Schulden bezahlen, deswegen flog alles auf.

Das Interview führten die SPIEGEL-Redakteure Lothar Gorris, Detlev Hacke und Udo Ludwig

Lesen Sie morgen im letzten Teil des Interviews: "Radsport ist Schmerz". Jaksche spricht über die Gründe für das Doping, spanische Verdächtige, angebliche Verwicklungen des Weltverbandes - und die Frage, ob er wieder manipulieren würde.

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