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Sport Andreas Klöden

"Empfinde Jaksches Aussagen als heuchlerisch"

Radprofi Andreas Klöden bricht vor dem Start der Tour de France am Samstag sein Schweigen. Bei WELT ONLINE kritisiert er den Weltverband UCI, spricht über seine Rolle bei der Tour, die Dopinggeständnisse der deutschen Fahrer und seinen Freund Jan Ullrich.

WELT ONLINE : Herr Klöden, erst am Mittwoch haben Sie die vom Radsport-Weltverband UCI als Startberechtigung für die Tour de France erforderliche Antidopingerklärung unterschrieben. Warum haben Sie so lange gewartet?

Andreas Klöden : Weil wieder einmal über die Köpfe der Sportler hinweg eine Entscheidung getroffen worden ist. Ich bin in einem Alter, wo ich keine Lust habe, wie eine Schachfigur hin und her geschoben zu werden. Ich wollte einfach noch ein wenig provozieren.

WELT ONLINE : Warum?

Klöden : Weil man sonst mit seinem Unmut nicht erhört wird. Ich bin bei der Tour de Suisse gefahren, als Journalisten plötzlich mich zu dieser Antidopingerklärung befragen wollten.

Ich wusste von nichts. Ich dachte, ich bin im falschen Film, als ich hörte, dass ich mein Jahresgehalt zurückzahlen müsste, wenn ich gedopt habe. Sicher muss viel passieren im Radsport hinsichtlich Doping. Doch kann man nicht auch unverschuldet in einen Dopingfall rutschen? Zum Beispiel durch kontaminierte Nährstoffe? Oder weil eine Dopingrobe manipuliert worden ist? Als Strafe muss dann ein Jahresgehalt zurückgezahlt werden. Da gibt es keine Verhältnismäßigkeit. Ich habe eine Familie, wir müssen doch von irgendetwas leben. Ich kann nicht von heute auf morgen etwas unterzeichnen, was aus einer 24-Stunden-Schnellschussbesprechung heraus beschlossen wurde und womit ich mich vollständig jemandem ausliefere. Ich fühle mich erpresst, finde das sittenwidrig und menschenunwürdig.

WELT ONLINE : Haben Sie sich mit Anwälten beraten?

Klöden : Sicher habe ich mir rechtliche Informationen eingeholt, falls der Fall X eintreten sollte. Wissen Sie, ich habe bei jeder Dopingkontrolle Angst. Nicht weil ich irgendetwas Verbotenes genommen habe, sondern weil ich denke: Hoffentlich gehöre ich nicht zu den ein, zwei Prozent, bei denen eine Kontrolle spinnt. Dann stehe ich da wie ein Eimer und muss teuer dafür bezahlen.

WELT ONLINE : Sie hätten die Ehrenerklärung ja gar nicht unterschreiben müssen.

Klöden : Doch, denn ich will ja bei der Tour starten, also habe ich keine andere Wahl. Außerdem habe ich ja nichts zu verbergen.

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WELT ONLINE : Ganz im Gegensatz zu einigen Ihrer früheren Kollegen vom Team Telekom und T-Mobile-Team, die jahrelang gedopt haben. Wie haben Sie die vergangenen Wochen und Monate mit den zahlreichen Dopinggeständnissen empfunden?

Klöden: Ich war erschüttert. Ich hätte das nicht für möglich gehalten. Nicht von Christian Henn, nicht von Udo Bölts, nicht von Erik Zabel. Ich frage mich, warum sie mit ihrer Beichte solange gewartet haben, warum sie erst jetzt mit dem Problem nicht mehr leben konnten? Jörg Jaksche und Bert Dietz nehme ich diese Begründung aber nicht wirklich ab. Wenn beide für ihre Offenbarungen sechsstellige Summen kassieren, empfinde ich ihre Aussagen als heuchlerisch. Echte Reue würde ich einem ohnehin erst dann abnehmen, wenn er auch all seine Einkünfte, die er sich mit Hilfe unerlaubter Mittel verdient hat, auf Heller und Pfennig zurückzahlt.

WELT ONLINE : Plädieren Sie auch für eine Generalamnestie, wenn jemand Doping gesteht?

Klöden : Absolut nicht. Jetzt irgendwelche Sachen auspacken und dann noch strafmildernd davonkommen – das kann nicht sein.

WELT ONLINE : Wann werden wir Ihre Dopingbeichte zu hören bekommen?

Klöden : Meine? Ich brauche keine abzulegen. Sie müssen mir einfach glauben, wenn ich Ihnen versichere, dass ich nie etwas Verbotenes getan habe und von all dem, was ein Jaksche oder Dietz erzählt haben, während meiner Zeit beim Team Telekom nichts mitbekommen habe.

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WELT ONLINE : Das zu glauben, fällt sehr schwer. Es war auch zu hören, dass im Fahrerfeld über die Dopingpraktiken angeblich immer offen geredet wurde. Ist Ihnen nie etwas zu Ohren gekommen?

Klöden : Jörg Jaksche hat vielleicht darüber geredet. Er ist ja bei fünf großen Rennställen gefahren, weiß also auch viel mehr, was anderswo gelaufen ist. Ich bin neun Jahre bei Telekom gefahren und kann nur sagen: Mir sind von Walter Godefroot nie Dopingmittel angeboten worden. Er hat auch nie das Thema an mich herangetragen. Und ich wurde auch von keinem Arzt gedrängt zu dopen, damit mein Vertrag verlängert wird.

WELT ONLINE : Sie sind aber auch jahrelang von den inzwischen entlassenen Freiburger Ärzten Lothar Heinrich und Andreas Schmid medizinisch betreut worden. Sie kamen tatsächlich nie mit Doping in Berührung?

Klöden : Nein, nein und nochmals nein. Ich bin in der DDR groß geworden und habe mich vom elften Lebensjahr an in jeder Altersklasse immer wieder bis zur Spitze durchgearbeitet. Ich war nicht irgendwann da, weil ich etwas in mich hineingepumpt habe. Nein, es ging langsam Schritt für Schritt, systematisch und kontinuierlich und ohne Doping. Trotzdem wird man ständig an den Pranger gestellt und denen gleichgestellt, die erzählen, wie sie jahrelang betrogen haben. Das macht mich fertig.

WELT ONLINE : Was tun Sie denn für Ihre Glaubwürdigkeit?

Klöden : Alles das, was von mir verlangt wird. Von Seiten der Weltantidopingagentur Wada unterliege ich der Pflicht, mich ein Vierteljahr im Voraus täglich abzumelden. Am 15. des jeweiligen Quartals muss ich der Wada mitteilen, wo ich in den nächsten drei Monaten täglich vor- und nachmittags anzutreffen bin. Diese Informationen bekommen auch der Weltverband UCI, die deutsche Antidopingagentur Nada und die Schweizer Dopingkontrollbehörde Swiss Olympic.

WELT ONLINE : Bei den Dopinggeständnissen kam auch heraus, dass die Fahrer auch deshalb gedopt haben, weil sie wussten, dass sie durch die Kontrollen nicht erwischt werden.

Klöden : Soll ich mich auch noch darum kümmern, dass die Labore bessere Kontrollmethoden erfinden? Ich kann doch nur anbieten, mich rund um die Uhr kontrollieren zu lassen – mehr geht nicht. Wenn alle den Profiradsport so betreiben würden wie ich, wäre er auch sauber.

WELT ONLINE : Dann könnten Sie aber 200 Kilometer nicht mehr so schnell fahren wie bisher?

Klöden : Das ist doch Blödsinn. Ich reiße mir das ganze Jahr den Hintern auf. Ich fahre wöchentlich etwa 1000 Kilometer, pro Jahr kommen rund 40.000 Kilometer zusammen. Wenn ich einen Schnitt von 30 km/h fahre, habe ich teilweise einen Durchschnittspuls von 100, aber nur, weil ich so bedingungslos und zielgerichtet trainiert habe.

WELT ONLINE : Wie wollen Sie bezeugen, dass Sie Ihre hohe Belastungsfähigkeit natürlichen Ursprungs ist. Doping wird doch gerade deshalb genommen, um härtere, intensivere Belastungen auf sich nehmen zu können?

Klöden : Ich kann das nur sagen und nach außen verkörpern. Sie müssen mir das einfach abnehmen. Wenn 20 oder 30 Radsportler gedopt haben, kann das doch nicht heißen, dass alle das tun. Wenn in Deutschland Neonazis leben, ist doch nicht jeder Deutsche automatisch ein Nazi. Es gibt Fahrer, die sagen sich, okay, ich riskiere Doping, um dorthin zu kommen, wo ein Jan Ullrich oder ein Michael Schumacher oder ein Boris Becker gestanden haben. Doch das brauche ich nicht. Ich bin nicht der Typ Sportler, der das Rampenlicht sucht. Ich möchte in Ruhe durch Berlin und Konstanz laufen und mein Leben leben. Ich will Rad fahren, will trainieren. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht, weil ich damals in der DDR bei der Friedensfahrt zugeschaut habe und das alles faszinierend fand. Es macht mich stolz, dass ich Radprofi geworden bin.

WELT ONLINE : Haben Sie es angesichts der Dopinganschuldigungen gegenüber Astana inzwischen bereut, dort unterschrieben zu haben? Nach den Dopingfällen Eddy Mazzoleni und Matthias Kessler fehlt noch ein Fall und Ihr Team würde bei der Tour nicht starten können.

Klöden : Mazzoleni ist kein aktueller Astana-Dopingfall. Er wird befragt zu einer Sache, die 2004 angeblich bei seinem damaligen Rennstall Saeco passiert ist. Bei Kessler ist ein unnormal hoher Testosteronwert festgestellt worden. Er hätte 50 Tabletten zu sich nehmen müssen, um auf diesen Extremwert zu kommen. Selbst Professor Werner Franke (deutscher Dopingexperte – d.R.) kommt das suspekt vor. Deshalb hat er sich des Falls auch angenommen. Das ist schon bezeichnend. Ich hoffe, dass sich das Blatt für Matthias noch zum Guten wendet.

WELT ONLINE : Haben Sie Kontakt zu Jan Ullrich?

Klöden : Warum soll ich mich von ihm distanzieren, was mir ja einige zum Vorwurf machen? Es gibt Indizien, die wirklich erdrückend sind und gegen ihn sprechen. Wenn er überführt wird, muss ich mit ihm ein ernstes Wort reden, denn dann hat er auch mich angelogen. Aber ich bin der Meinung, selbst wenn er den Mist gebaut hat, ändert das nichts an unserer Freundschaft. Weil er mich enttäuscht hat, soll ich ihn verstoßen? Nein, so bin ich nicht erzogen. Das wäre der falsche Weg. Ich mag ja nicht Jan Ullrich, weil er der Toursieger von 1997 ist. Ich kannte ihn ja schon viel früher. Er ist ein sympathischer Kerl, der eigentlich ehrlich ist und mir immer die Meinung ins Gesicht sagt, was ich sehr schätze.

WELT ONLINE : Warum haben Sie sich der Presse verweigert?

Klöden : Weil ich so viel Unsägliches über mich gelesen habe. Beispielsweise dass ich trotz anhaltender Dopingverdächtigungen für die Olympischen Spiele in Peking nominiert wurde. Oder in einer Schweizer Zeitung stand: „Die letzte Dopinggeständniswelle mit Zabel, Klöden und Co.“ Nichts von dem ist wahr. Ich werde aber immer wieder in einen Topf geworfen, in den ich nicht hineingehöre. Es widert mich an. Ich habe keinen Bock mehr, ständig über etwas zu reden, mit dem ich nichts zu tun habe. Also sage ich lieber gar nichts. Dadurch habe ich wenigstens den Frieden mir selbst wieder gefunden...

WELT ONLINE : ...und freuen sich jetzt auf die Tour de France?

Klöden : Freuen? Das war einmal. 2001, vor meiner ersten Tour, war ich schon drei Wochen vorher wahnsinnig aufgeregt und konnte gar nicht erwarten, dass es endlich losging. Wie ein kleiner Junge habe mich gefreut, als ich in Paris angereist bin. Jetzt empfinde ich es wie eine Strafversetzung, bei der Tour zu starten. In letzter Zeit hatte ich mich völlig abgeschottet, habe den Internetzugang gesperrt, keine Zeitung, kein Videotext gelesen, damit ich den Kopf freibekomme für die bevorstehende Aufgabe. Jedes Jahr habe ich der Tour entgegengefiebert. Jetzt sitze ich hier und sage mir: „Scheiße, jetzt geht der ganze Dreck wieder los.“ Denn ich bin mir sicher, dass es bei der Tour weniger um Sport gehen wird. Ich aber habe keine Lust, während meiner Arbeit, die schon schwer genug ist, mich auch noch über irgendwelche Dopingfälle zu unterhalten. Das ist ein Horrorszenario.

WELT ONLINE : Würden Sie die Tour verlassen, wenn Sie das alles zu sehr nervt?

Klöden: Das ist nicht auszuschließen. Ich muss sehen, wie sich alles entwickelt, ob ich dann noch abschalten kann oder nicht. Als Selbstschutz habe ich für mich schon entschieden, dass ich das, was ich zu sagen habe, täglich auf meiner Homepage veröffentlichen werde.

WELT ONLINE : Wollen Sie die Tour de France gewinnen?

Klöden : Vorbereitet darauf bin ich. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, obwohl ich mir gut vorstellen kann, dass der diesjährige Gewinner nicht so viel Freude am Sieg haben wird, wie einer aus den 90er-Jahren, als noch alles Friede, Freude, Eierkuchen war.

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