Alex Kirsch

Alex Kirsch hat sich den World-Tour-Vertrag redlich verdient. Vor vier Jahren war er bereits Stagiaire beim Trek-Team, wurde dann Profi beim Team Cult und erlebte eine wechselhafte Zeit. Cult war nicht auf stabilem Fundament gebaut und verschwand aus dem Radsport. Ähnlich erging es Kirsch bei seiner nächsten Station, dem Team Stölting. Nach dem Aus des Teams ging er zum ProConti-Rennstall WB Veranclassic Aqua Protect. Schaffen junge Fahrer nicht gleich den Sprung von der U23 in die World Tour, wird es immer schwerer. Doch Kirsch hat überzeugt, vor allem bei den Klassikern. Er war Zweiter bei Le Samyn und landete sowohl bei Binche-Chimay-Binche, als auch bei der Tour de l’Eurométropole in den Top10 – und das als Einzelkämpfer im vergleichsweise kleinen Team. Nun wird Kirsch Helfer von John Degenkolb, Jasper Stuyven und Mads Pedersen.

 

(K)ein großer Sprung

Alex Kirsch ist kein Mann der lauten Töne. Er spricht ruhig und gibt sich in Interviews Mühe, nicht falsch verstanden zu werden. Er ist ein reflektierter und intelligenter junger Mann, hat BWL studiert und in der noch jungen Karriere reichlich Erfahrungen gesammelt. Nachdem er nach der U23-Zeit den Sprung in World Tour knapp verpasst hatte, blieb er ehrgeizig und konnte sich diesen Traum nun erfüllen.

„Der Unterschied ist gigantisch und größer als ich gedacht habe. Insgesamt ist die Stimmung eher lockerer, aber gleichzeitig seriöser, weil alle wissen, worum es geht und was ihre Aufgabe ist“, beschreibt Kirsch den Unterschied zur ProConti-Zeit. „Der erste Eindruck ist sehr gut, sogar noch besser als erhofft. Es ist schon ein Traum, der sich erfüllt und so bin ich ohne ganz genaue Erwartungen rangegangen. Aber jeder ist sehr freundlich und es ist wirklich einfach, sich zu integrieren“, so Kirsch. 

Kirsch kannte Teile des Teams und auch des Betreuerstabs bereits. „Ich kannte einige Gesichter, auch wenn mir nicht mehr alle Namen eingefallen sind. Das hilft, klar. Gregory Rast beispielsweise ist nun mein sportlicher Leiter, mit ihm habe ich mir als Stagiaire bereits ein Zimmer geteilt“. Aber Kirsch betont, dass es nicht nur für ihn einfach ist, sich zu integrieren, sondern für alle neuen Fahrer und berichtet von einem sehr guten Teamspirit bei Trek-Segafredo.

 

Überrascht vom Rennplan

Kirsch kommt als Helfer ins Team und ist mit seinem Rennplan sehr zufrieden. „Das hat mich am meisten überrascht. Ich komme aus einem kleineren Team, wo ich mir schon ein wenig den Rennplan aussuchen konnte und war nun gespannt, wie das bei Trek-Segafredo sein wird. Aber jetzt habe ich den perfekten Rennplan und ich spüre, dass mir Vertrauen entgegengebracht wird“, so Kirsch.

Er wird alle großen Frühjahrsklassiker bestreiten können, voraussichtlich nur Gent-Wevelgem auslassen. „Sie haben gesagt: Du wirst auch mal ein Rennen auslassen müssen, welches willst du weglassen? Da habe ich gesagt, ich liebe sie alle, das müsst ihr entscheiden“, erzählt Kirsch mit einem Lachen. Die Klassiker sind seine große Liebe.

 

Klassiker-Liebe kam erst spät

Die Liebe zu den Pflasterklassikern entdeckte Kirsch erst spät. In der Vergangenheit gab es kaum Luxemburger die bei den Pflaster-Rennen groß auftrumpften. Dafür Fahrer die in den Ardennen und den Bergen glänzten. Die Schleck-Brüder und Kim Kirchen waren die großen Luxemburger im Radsport, als Kirsch aufwuchs. So ging es auch bei ihm zunächst in diese Richtung.

„Ich bin recht groß und schmal gebaut, da lag das auch bei mir nahe. Viele haben mich eher dort gesehen und so bin ich da reingerutscht“, erklärt Kirsch. Aber im letzten U23-Jahr kam ein neuer sportlicher Leiter und sah Kirsch eher bei den Pflasterrennen. „Er hatte Recht damit“, sagt Kirsch mit einem Lachen. Er wurde Siebter bei der U23-Flandern-Rundfahrt 2014.

Die große Liebe zu den Klassikern entdeckte er dann im ersten Profi-Jahr. „Der Omloop Het Niewsblad war eines meiner ersten Rennen als Profi und es ist bis heute eines meiner Lieblingsrennen. Wenn man nicht Belgier ist, ist man erstmal überrascht, wie groß dieses Rennen ist. Man denkt, das sei ein kleines Rennen, aber wie viele Menschen bei diesem Opening Weekend (Anmerk. Omloop Het Niewsblad und Kuurne-Brüssel-Kuurne am Folgetag) der Klassiker sind, das hat mir die Augen geöffnet“, so Kirsch. Nun will er helfen, bei den großen Rennen im Frühjahr Siege einzufahren.

Nach starkem Rennen knapp geschlagen: Alex Kirsch 2. hinter Guillaume van Keirsbulck bei Le Samyn 2017

 

Ein extrem starkes Klassiker-Team

Das Team Trek-Segafredo hat eine enorm starke Klassiker-Fraktion und sich mit Kirsch und Edward Theuns noch einmal verstärkt. Den Vergleich mit Quick-Step will Kirsch lieber nicht ziehen. „Man will nicht sagen, man ist wie Quick-Step. Die haben 80 Rennen gewonnen. Aber ich denke schon, dass wir zu den drei stärksten Teams in den Klassikern gehören. In der Breite, aber auch was die einzelnen Fahrer betrifft. Wir haben John (Degenkolb), der bereits Monumente gewonnen hat. Jasper (Stuyven) war der einzige Fahrer, der 2018 bei allen Klassikern in den Top10 war und bei Mads (Pedersen) gibt es überhaupt kein Limit, was er erreichen kann“, sagt Kirsch ruhig. „Unsere Kapitäne sind sehr, sehr stark und wir hoffen, im Finale mit mehreren Fahrern dabei zu sein und dann vielleicht sogar ähnlich wie Quick-Step agieren zu können.“  

Kirsch ist Helfer der drei Leader und sieht das als sehr schöne Rolle. „Ich habe in den vergangenen Jahren als Einzelkämpfer für mich fahren können. Ich weiß, dass ich mich noch sehr verbessern kann, aber ich kann auch gut einschätzen, wo meine Grenzen sind. In diesem Team kann ich eine sehr schöne Rolle einnehmen, wenn ich den Kapitänen helfe“, erklärt Kirsch ruhig und reflektiert.   

Kirsch hat sich den Traum von der World Tour erfüllt, wird sich aber „nicht zurücklehnen und darauf ausruhen“. Er setzt sich stets konkrete Ziele, sowohl langfristig, als auch kurzfristig. Für das Jahr 2019 fällt es ihm zunächst schwer, konkrete Ziele zu definieren. „Da habe ich wirklich schon länger drüber nachgedacht. Es ist jetzt natürlich etwas schwerer mit meiner neuen Rolle im Team und ich wollte auch erstmal das Trainingslager abwarten“, sagt Kirsch ruhig. „Aber wenn wir einen Klassiker gewinnen können, und ich habe dabei eine Rolle gespielt, wäre ein Ziel erreicht. Ich würde zudem gern eine Grand Tour zu Ende fahren und bei einem kleineren Rennen ein Ergebnis einfahren. Wenn mir das gelingt, bin ich auf jeden Fall zufrieden“.

Beim Etoile de Bessèges wird Kirsch in die Saison starten, dann die Algarve-Rundfahrt bestreiten. Anschließend beginnt die Klassiker-Zeit. Mit seinem Lieblingsrennen, dem Omloop Het Nieuwsblad.