Unna. Rick Zabel aus Unna fährt ab Samstag bei der Tour de France. Als Sohn von Erik Zabel hat er vieles über den Radsport gelernt.

Rick Zabel ist hart im Nehmen. Im T-Shirt und in kurzen Hosen sitzt er in einem Café im Heimatort Unna und lacht, als wäre nichts. Warum auch nicht? Nun, weil der erste Interviewtermin platzte. Der 24 Jahre alte Radprofi vom Team Katusha-Alpecin war in einen Autounfall verwickelt. Zabel hatte Glück, „sehr viel Glück“, sagt er.

Der Sohn von Erik Zabel, der als Einziger sechsmal das Grüne Trikot gewinnen konnte, kann bei der Tour de France am Samstag starten. Im Interview spricht er über den Unfall, den zweiten Tour-Start, seinen radsportbesessenen Vater und dessen Doping-Beichte.

Herr Zabel, Sie haben in der vergangenen Woche in den Sozialen Medien von einem Autounfall berichtet. Was ist genau passiert?

Rick Zabel: Ich war mit einem Trainingskollegen unterwegs. Wir waren in der letzten Stunde des Trainings. In der Nähe von Werl sind wir an einer Kreuzung angekommen, über die ich schon hundert Mal gefahren bin. Von rechts kam ein Auto. Wir waren deutlich früher an der Kreuzung und dachten, wir könnten noch rüberfahren. Aber im Augenwinkel sehe ich, er hält nicht an. Der Fahrer hat nur nach rechts geguckt und war etwas zu schnell. Mein Kumpel konnte noch ausweichen, ich bin in die Seite des Minivans gefahren.

Das hört sich schlimm an.

Rick Zabel: Ja, die hintere Scheibe ist geplatzt, und der Wagen hat eine große Beule. Ich hatte aber Glück, dass er mich nur seitlich touchiert hat. Wir waren beide geschockt. Der Autofahrer hat mir direkt geholfen. Er hat mich auch einen Tag später angerufen und gefragt, wie es mir geht. Es war das allererste Mal, seitdem ich mit Zwölf angefangen habe, dass ich einen Autounfall hatte.

Haben Sie sofort an die Tour gedacht?

Rick Zabel: Ein Tour-Aus wäre schon bitter gewesen. Zumal wir wenige Stunden zuvor erfahren hatten, wer mit nach Frankreich fährt. Und am Nachmittag geschah der Unfall. Aber es hätte sonst was passieren können. Im schlimmsten Fall ist man tot. Ich fahre jetzt deutlich vorsichtiger.

In diesem Jahr fahren Sie mit Marcel Kittel in einem Team. Es wurde viel darüber gesprochen, dass sich das Team noch finden muss. An welchem Punkt des Kennenlernens stehen Sie?

Rick Zabel: Die Zeit des Kennenlernens ist vorbei, jetzt müssen wir performen. Man muss aber auch nicht drum herum reden, dass wir nur zwei Siege geholt haben. Das war schön, aber für unseren Anspruch war das schon zu wenig. Ich bin froh, dass es jetzt losgeht. Man kann bis zur Tour zwanzig Rennen gewinnen – wenn wir dann nicht siegen, wäre es trotzdem schlecht. Das Ziel muss sein, eine Etappe zu gewinnen – und das möglichst früh.

Marcel Kittel hat 2017 fünf Etappen gewonnen. Diesmal setzt er sich nur einen Etappensieg als Ziel. Warum?

Rick Zabel: Er hat erst zwei Rennen in diesem Jahr gewonnen. Es wäre nicht richtig zu sagen: Ich will fünf Etappen gewinnen. Was er im letzten Jahr gemacht hat, war historisch. Das zu wiederholen, wäre ein Traum, ist aber etwas unrealistisch. Man muss erst mal die erste gewinnen. Wenn man die gewonnen hat, ist der Druck weg.

Sie kennen das Gefühl, in Paris ganz oben zu stehen. Können Sie sich daran erinnern?

Rick Zabel: Deswegen habe ich auch nicht den Ansporn, ich stand ja schon auf dem Podium. Ich will ja die anderen auch mal hochlassen (lacht). Nee, ich kann mich daran erinnern, aber als Fahrer ist es etwas ganz anderes. Ich war immer gern als Sohn von meinem Papa dabei, aber als Kind war es normal, dass er das Grüne Trikot gewinnt. Für mich war es eher komisch, als er nicht mehr aufs Podium gegangen ist.

Er arbeitet für das Team Movistar. Hat er da ein Auge auf Sie während der Tour?

Rick Zabel: Nein, es ist eher so, dass man sich zufällig sieht und Hallo sagt. Er hat da seine Aufgabe und ich meine.

Das Thema Radsport ist aber sicher allgegenwärtig in der Familie Zabel.

Rick Zabel: Auf jeden Fall, noch mehr bei meinem Vater als bei mir. Ich bin auch mal froh, wenn sich nicht alles um Radsport dreht, wenn ich mich mit Freunden treffen kann, die WM gucken kann. Mein Vater ist da ein ganz anderer Typ, der lebt für den Radsport. Egal, welches Rennen im Fernsehen kommt, er guckt es sich an, liest alle Berichte. Er spult jeden Tag seine sechzig bis hundert Kilometer ab. Auf der einen Seite habe ich riesigen Respekt vor ihm, auf der anderen Seite denke ich: Er hat manchmal eine Klatsche (lacht).

Ist er stolz auf Sie?

Rick Zabel: Auf jeden Fall, aber er ist auch ein typischer Papa, der immer mehr will. Wenn ich mal Vierter werde, sagt er: Wenn du das und das anders gemacht hättest, wärst du Zweiter geworden. Ich sage dann: Hab ich aber nicht.

Die Vorbereitungen auf die Tour wurden überschattet von der Salbutamol-Affäre um Chris Froome. Ist der Radsport heute sauberer als noch zu Lance-Armstrong-Zeiten?

Rick Zabel: Wie sauber er ist, kann ich nicht sagen. Es wird immer Leute geben, die betrügen. So sind Menschen. Ich kann nur für mich sprechen. Ich muss innerhalb des Adams-System der Wada jeden Tag angeben, wo ich schlafe, wo ich innerhalb einer Stunde des Tages getestet werden kann, wo ich innerhalb der anderen 23 Stunden mich nicht weiter wegbewegen darf als von dem Ort. Ich wüsste gar nicht, wo und wie ich das machen sollte. Das System ist so gut geworden. Man gibt sehr viel Privatsphäre auf, aber das mache ich gerne für diesen Sport.

Sie selbst haben aus nächster Nähe einen Doping-Fall erlebt.

Rick Zabel: Das stimmt. Mit dem Geständnis von meinem Papa habe ich schon früh gelernt, was es heißt, sowohl himmelhoch jauchzend als auch am Boden zu sein. Ich habe live miterlebt, wie tief man dadurch fallen kann. In so einer Situation will ich niemals sein.

Hat Sie das geprägt?

Rick Zabel: Das hat mich sehr geprägt. Zu der Zeit habe ich selbst schon Radsport betrieben, das Gerede am Streckenrand war als Sohn nicht leicht zu ertragen. Im Nachhinhein musste ich sehr früh erwachsen werden. Ich habe sehr früh gelernt, zu unterscheiden, wer wahre Freunde sind.

Sie reden sehr offen darüber.

Rick Zabel: Warum auch nicht? Das kann man ja nicht verleugnen. Das ist so passiert. Das muss man aufarbeiten, und ich finde, es ist wichtig, dass man dazu eine klare Meinung hat und nicht rumeiert.