Interview mit dem neuen Deutschen Meister

Burghardt: "Ich will fahren, bis ich 40 bin"

Foto zu dem Text "Burghardt:
Marcus Burghardt (Bora-hansgrohe) strahlt im Meistertrikot. | Foto: Cor Vos

27.06.2017  |  (rsn) - Marcus Burghardt (Bora-hansgrohe) hat sich mit seinem Sieg bei der Heim-DM in Chemnitz einen großen Traum erfüllt. Nun geht es für den neuen Deutschen Meister weiter zur Tour de France, wo Burghardt nicht nur für Peter Sagan Helferdienste leisten wird, sondern auch seine eigene Chance suchen will. Vor der Abreise nach Düsseldorf sprach der 34-Jährige mit radsport-news.com noch über seinen Coup von Chemnitz und über seine Pläne für die nächsten Jahre. Dabei wurde klar: An einen Rücktritt denkt Burghardt noch lange nicht.

Sie sind am Sonntag vor 20.000 begeisterten Zuschauern in der Heimat Deutscher Meister geworden - ist das der schönste Sieg ihrer Karriere?
Marcus Burghardt: Ich glaube schon. Als bekannt wurde, dass die DM in Chemnitz sein würde, dachte ich schon, das wäre ja der Wahnsinn, wenn ich da Deutscher Meister werden könnte. Mir war aber klar, dass es extrem schwer bis fast unmöglich werden würde. Ich versuche seit acht oder neun Jahren Meister zu werden. Dass es jetzt vor so vielen Zuschauern in der Heimat geklappt hat, das war wirklich der Wahnsinn.

Dabei schien die Strecke eher was für bergfeste Sprinter wie John Degenkolb zu sein...
Burghardt: Ich bin den Kurs am Freitag abgefahren und war da sehr enttäuscht. Ich dachte, dass er nicht schwer genug sein würde, um die Sprinter abzuhängen. Aber im Rennen kam mir entgegen, dass der Berg immer schnell gefahren wurde und oben raus war Windkante. Am Berg hattest du Rückenwind und oben war dann Seitenkante und das hat das Rennen extrem schwer gemacht. Das war überhaupt nicht kontrollierbar, und ich denke, für die Zuschauer war das super anzuschauen.

War die Taktik ihres Teams auf ein Szenario ausgerichtet, in dem Emanuel Buchmann attackierte und sie aus seinem Windschatten heraus antreten?
Burghardt: Eigentlich nicht. Planen kann man so etwas ja auch nicht. Das war am Ende eine Ausscheidungsrunde, und als wir das letzte Mal den Berg hoch gefahren sind, da hat Emmanuel Buchmann attackiert - und ich zog nach. Normalerweise macht man das nicht, dass man dem eigenen Teamkollegen hinterher fährt. Aber ich habe gesehen, dass Dege (John Degenkolb) nicht bei Emmanuel mitfahren konnte. Ich hatte schon Krämpfe in der rechten Wade und dachte: 'Jetzt oder nie!' Zum Glück konnte ich mich lösen. Hätte ich bemerkt, dass Dege mitkommt, wäre ich natürlich nur an seinem Hinterrad gefahren.

Bora-hansgrohe war mit einem starken Aufgebot in Chemnitz am Start. Welchen Anteil haben ihre Kollegen an ihrem Sieg?
Burghardt: Ich habe es ja schon im ersten Interview gesagt und will es hier nochmal betonen, dass die Mannschaft einen super Job gemacht hat. Wenn ich Einzelstarter gewesen wäre, dann wäre die Sache nicht so ausgegangen. Die Jungs haben die Aufgaben, die wir vorher im Bus aufgeteilt haben, von der ersten Runde weg super erledigt. Egal, ob Christoph Pfingsten, Rüdiger Selig, Andreas Schillinger, Michael Schwarzmann oder eben Emanuel Buchmann - sie haben das Rennen kontrolliert und immer wieder gefährliche Gruppen zurückgeholt.

Wann haben sie sich mit Emanuel Buchmann abgesprochen, dass sie nicht gegeneinander um den Sieg sprinten werden?
Burghardt: Die Mannschaftsleitung hat uns übers Radio gesagt, dass es schön wäre, wenn wir zusammen über die Ziellinie fahren würden. Ich denke, das zeigt auch unsere Geschlossenheit und dass man mir auch das Gefühl gibt, wie wichtig und wertvoll ich für die Mannschaft bin.

Alle gönnen ihnen den Sieg, ähnlich wie 2011 Robert Wagner. Sie sind offensichtlich sehr beliebt bei den Kollegen…wegen ihres Rufs als selbstloser Helfer?
Burghardt: Ich denke schon. Ich bin mit so vielen Fahren zusammen gefahren. Egal, ob es in der Nationalmannschaft war oder in meinen verschiedenen Teams. Ich habe mich immer für die Kollegen eingesetzt, bin auch für andere gefahren.

Und jetzt kommt die Tour de France - sorgt das Meistertrikot noch mal für einen Motivationsschub?
Burghardt: Ja, schon. Mein letzter Einzelsieg ist ja schon sieben Jahre her und Deutscher Meister zu werden in einem gutbesetzten Rennen, das hat mir viel Moral gegeben. Ich habe gemerkt, dass ich mit 34 Jahren immer noch einen Sieg einfahren kann. Das gibt mir Extra-Motivation für die Tour.

Welche Aufgaben werden sie bei der Tour haben? Werden sie nur Helferdienste leisten oder auch ihre Freiräume bekommen?
Burghardt: Ich denke, dass ich die Chance bekomme, auch einmal auf Etappensieg zu fahren. Ansonsten werde ich mit Sicherheit Peter Sagan dabei unterstützen, dass er das Grüne Trikot und mindestens eine Etappe gewinnt. Und ich werde auch extrem viel für Rafal Majka und Emu arbeiten. Beide sind gut drauf, Emu hat das ja besonders beim Critérium du Dauphiné gezeigt.

Sie werden am Freitag 34. Beschäftigen sie sich schon mit dem Karriereende?
Burghardt: Überhaupt nicht. Ich habe ja bei Bora-hansgrohe einen Dreijahresvertrag und hätte auch für fünf Jahre unterschrieben. Mir macht das Radfahren noch so viel Spaß, es gibt mir so viel.

Das heißt, dass ein Rücktritt noch in weiter Ferne liegt?
Burghardt: Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich mir vorstellen, dass ich noch sechs oder sieben Jahre fahre. Ich habe überhaupt noch nicht das Gefühl, dass mich der Radsport nervt oder dass es ein Zwang ist, zu trainieren. Mir macht das Trainieren extrem viel Spaß, und solange ich dieses Gefühl habe, werde ich auf alle Fälle weiter machen. Vor zehn Jahren war ich noch nicht so stark wie jetzt. Ich habe viel mehr Rennerfahrung und meine Werte haben sich nicht drastisch verschlechtert. Wenn ich sehe, dass ich dieses Jahr bei meinem zwölften Paris-Roubaix mein bestes Ergebnis (16.) eingefahren habe, weiß ich, dass ich noch nicht über den Punkt hinaus bin.

Wenn sie noch sechs Jahre fahren wollen, bedeutet das, auch mit fast 40 Jahren noch im Sattel zu sitzen…
Burghardt: Das könnte ich mir gut vorstellen. Ich habe auch schon mit den alten Kollegen wie Andreas Klöden oder Jens Voigt gesprochen und sie gefragt, wie es bei ihnen war. Voigte etwa hat gesagt, irgendwann kommt der Punkt, an dem du keinen Spaß mehr hast. Du kommst dann an einen Punkt, wo du nicht mehr das Risiko eingehst und auch das Gefühl hast, nicht mehr so motiviert zu sein.

Ein solches Gefühl kennen sie noch nicht?
Burghardt: Definitiv nicht.

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