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"Ich will gewinnen"

Joscha Weber30. Juni 2016

Seit 31 Jahren hat kein Franzose mehr die Tour de France gewonnen. Das Klettertalent Warren Barguil will diese Durststrecke bald beenden. Im DW-Interview erklärt er, wie er an Froome und Contador herankommen will.

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Tour de France 2015 Radrennen Warren Barguil (Foto: pa)
Begeisterte die Franzosen bei seinem Debüt im Vorjahr: Barguil kämpfte sich trotz Verletzung auf Rang 14Bild: picture alliance/dpa/K. Ludbrook

DW: Im Vorjahr fuhren Sie gleich bei Ihrer ersten Tour de France in den Bergen mit den Besten mit und finishten am Ende als 14. Haben Sie sich damit selbst überrascht?

Warren Barguil: Ja, das habe ich. Ich konnte mit den Topfahrern mithalten, besonders in der ersten Woche. Selbst auf dem Kopfsteinpflaster lief es unerwartet gut. Dass ich dann doch noch zwei Tage vor dem Finale in Paris eingebrochen bin, war nicht einfach für mich. Meine Verletzung (Barguil verletzte sich auf der 11. Touretappe an Hüfte und Ellenbogen, Anm. d. Red.) hat mich in den Alpen sehr behindert. Aber es hat Spaß gemacht und ich freue mich auf die zweite Chance dieses Jahr.

Sie fuhren erkennbar mit großen Schmerzen die Tour zu Ende. Ist die Tour de France so wichtig, dass man selbst verletzt weiterfährt?

Ja, so kann man das sagen. Ich bin gestürzt und habe mir dabei sehr weh getan. Ich habe dann aber an meine Familie gedacht, die mir und der Tour die ganze Zeit mit dem Campingwagen gefolgt ist. Ich habe zu mir gesagt: 'Ich kann jetzt nicht aussteigen. Sie haben sich extra Urlaub genommen, um mich zu sehen.' (lacht) Außerdem ist noch meine Freundin zur Aufheiterung gekommen. Aufgeben war keine Option für mich.

Warren Barguil (Foto: pa)
Barguil gilt in seinem Team als StimmungsmacherBild: picture alliance/Augenklick/Roth

Obwohl gerade erst 24 Jahre alt waren Sie schon Achter der Vuelta und trotz der Verletzungen 14. der Tour. Sind sie schon ein Anwärter auf die Top 5 einer Grand Tour?

Vielleicht noch nicht dieses Jahr. Aber danach will ich schon dort hin. Ich kann es auf das Podium schaffen. Das ist mein Ziel in den kommenden zwei bis drei Jahren.

Viele Franzosen sehen Sie schon bei dieser Tour de France als Hoffnungsträger. Kommen Sie wirklich immer noch nur zum Lernen zur Tour, wie ihre Teamleitung sagt?

Ja, es geht immer noch darum, dass ich lerne und besser werde. Aber natürlich möchte ich in die Top Ten fahren. Letztes Jahr habe ich gesehen, dass das möglich ist. Dazu muss ich all den Gefahren der ersten Woche aus dem Weg gehen. Wenn ich mit möglichst wenig Rückstand in die ersten Bergetappen in den Pyrenäen gehe, kann es klappen.

Welche Lektion haben Sie bisher von der Tour de France gelernt?

Es ist ein ganz anderes Rennen als alle anderen. Es wird sehr schnell gefahren. Es gibt viel mehr Medieninteresse. Und die Erholung zwischen den Etappen ist entscheidend für den Erfolg.

Was trennt Sie noch von Chris Froome, Alberto Contador oder Nairo Quintana?

Ich denke, ich muss am Berg noch besser werden. Und ich muss mich weiter an die Belastungen eines dreiwöchigen Rennens gewöhnen. Da möchte ich bald hinkommen und arbeite hart an mir.

Warren Barguil (Foto: pa)
Bei der Tour de Suisse schon in Gelb: Die Formkurve in Richtung Tour de France passt bei BarguilBild: picture alliance/dpa/G. Ehrenzeller

Die Leistungsdichte am Berg nimmt zu. Deswegen werden die Abfahrten immer entscheidender im Profiradsport. Wie steht es um Ihre Abfahrtskünste?

Ich denke, ich bin ein sehr guter Abfahrer. Besonders wenn ich die Abfahrten kenne, bin ich schnell. Ich mag den Motorsport und liebe die Geschwindigkeit. Man muss sich aber gewissenhaft vorbereiten. Ich fahre alle wichtigen Abfahrten vor der Tour ab, um die Strecke in Erinnerung zu haben. Man kann viel Zeit auf Abfahren verlieren - oder eben Kräfte sparen.

Wie viel Risiko muss man eingehen, um mit den Besten mitzuhalten?

Natürlich hat jeder von uns nur dieses eine Leben. Wenn Du in schnellen Kurven geradeaus fährst, kann es vorbei sein. Du kannst bei der Tour sterben. Wir gehen Risiken ein. Aber es geht darum, die Risiken zu kennen und zu wissen, was man tut.

Sie sind 24 Jahre jung und schon jetzt ein Kapitän in Ihrem Team Giant-Alpecin…

Ja, das stimmt. Gemeinsam mit Tom Dumoulin und John Degenkolb führe ich das Team an. Das ist schon komisch, weil ich noch so jung bin. Aber die Rolle ist kein Problem für mich. Ich bin von Anfang an in dieser Mannschaft dabei gewesen und alle hier kennen meine Entwicklung. Das macht es mir einfacher.

Giant-Alpecin war bislang eine reine Sprinter-Mannschaft. Jetzt, nach dem Abgang von Marcel Kittel, setzt die Teamleitung mehr auf Klassementfahrer. Was bedeutet das für Sie?

Ich spüre mehr Vertrauen ins uns Bergfahrer. Das ist sehr gut. So war für mich die Entscheidung, in diesem Team zu bleiben, schnell klar. Früher war es nicht immer leicht für mich, denn alles war auf die Sprinter ausgerichtet und in den Bergen war ich dann allein. Jetzt spüre ich die Unterstützung und deshalb habe ich auch für drei weitere Jahre hier unterschrieben.

Warren Barguil und Raymond Poulidor. (Foto: pa)
Zwei Generationen: Warren Barguil (l.) und Publikumsliebling Raymond "Poupou" Poulidor.Bild: picture alliance/CITYPRESS24/Gep

Sie fahren für ein deutsches Team und haben den Wiederaufstieg des deutschen Radsports hautnah mitverfolgt. Wie ist Ihr Eindruck?

Ich sehe eine großartige Entwicklung. Ich kann mich noch an die Zeit von Jan Ullrich und Andreas Klöden erinnern. Seitdem ist viel geschehen. Tony Martin, Marcel, Kittel, André Greipel sind allesamt starke Fahrer auf Weltniveau. Den besten Deutschen haben wir im Team: John Degenkolb. Wie er Mailand-San Remo und Paris-Roubaix gewonnen hat, das war schon außergewöhnlich. Ich hoffe, dass diese Entwicklung im deutschen Radsport weiter geht.

In der Vergangenheit gab es im Radsport immer wieder große Fahrer, vielleicht sogar einige Helden Ihrer Kindheit, die als Doper entlarvt wurden. Warum sollten wir Ihnen glauben?

(Lacht) Das ist eine gute Frage. (Überlegt) Nein, im Ernst, wenn ich in den Jahren um 2000 in den Radsport gekommen wäre und mein aktuelles Leistungsniveau hätte, ich glaube nicht, dass ich ähnliche Ergebnisse erzielen würde. Ich könnte nicht mit den Besten mithalten. Das ist vielleicht ein Beweis, dass der Radsport nun ehrlicher ist: Junge Fahrer schaffen es bis an die Spitze. Eine gewisse Generation verschwindet gerade aus dem Radsport und es rückt eine neue nach. Das ist für mich auch der Grund, warum zum Beispiel das deutsche Fernsehen zurück bei der Tour ist.

31 Jahre nach Bernard Hinault – können Sie der langersehnte nächste französische Toursieger werden?

Ich träume davon, die Tour zu gewinnen. Diesen Traum will ich mir erfüllen. Aber ich habe noch einen anderen Traum: ich will auch Weltmeister werden. Das Regenbogentrikot wäre mir fast noch wichtiger als das Gelbe Trikot.

Warren Barguil ist 24 Jahre alt und gilt als eines der größten Talente im Radsport. Nachdem er 2012 die Tour de l'Avenir, quasi die Tour de France der unter 23-Jährigen gewann, ging sein Weg immer weiter nach oben. 2013 gewann der Bretone bereits zwei Vuelta-Etappen, im Jahr darauf wurde er Gesamt-Achter. Sein 14. Platz bei der Tour 2015 trotz Verletzung gilt Experten als Fingerzeig, dass er ein zukünftiger Podiumskandidat ist. Die Verletzungen, die Barguil bei einem Trainings-Crash im Februar in Spanien erlitt, sind verheilt und hinderten ihn nicht daran, kürzlich die Tour de Suisse als Dritter zu beenden.