Anzeige

Tour-Sieger Laurent Fignon "Contador ist ein großer Champion"

Laurent Fignon hat 1983 und 1984 die Tour de France gewonnen. Im Juni gab der Franzose bekannt, dass er an Bauchspeicheldrüsenkrebs leidet. Mit stern.de sprach Fignon über seinen Tour-Favoriten, Veränderungen im Radsport und seine Doping-Vergangenheit.

Monsieur Fignon, was machen sie heute?

Ich bin Sportkommentator für France Télévision. Außerdem habe ich ein Buch über meine Laufbahn geschrieben: "Nous étions jeunes et insouciants" (Wir waren jung und sorgenlos). Gerade jetzt bin ich auf dem Weg zu einer weiteren Etappe der Tour de France. Ich bleibe halt dem Radsport treu.

Wenn Sie die jungen Fahrer von heute sehen: Könnten Sie oder ein anderer Champion der 1980er Jahre da noch mithalten? Oder hat sich ihr Sport verändert?

Der Sport hat sich auf jeden Fall verändert. Aber die Leistungen der besten Fahrer meiner Zeit stehen nicht in Frage. Wir könnten bei der Tour mithalten. Die Anzahl der wirklich großen Fahrer bleibt quer durch die Jahrzehnte mehr oder minder gleich. Das Mittelfeld hingegen ist heute stärker. Allerdings war zu meiner aktiven Zeit die Medienaufmerksamkeit geringer und es gab weniger Sponsorengelder.

Es ist schon länger her, dass wir einen Franzosen in Paris auf der Siegertreppe gesehen haben. Geht es mit dem Radsport in Frankreich bergab?

Ja, unglücklicherweise. Wir Franzosen gewinnen heute Etappen, aber keine Rennen. Einen echten Champion haben wir nicht mehr. Man kann sogar sagen, dass die jungen Franzosen noch keine Radrennen fahren können, wenn sie Profi werden.

Laurent Fignon

Laurent Fignon, geboren am 12. August 1960 und zweifacher Tour-de-France-Sieger, leidet an Bauchspeicheldrüsenkrebs und unterzieht sich derzeit einer Chemotherapie. "Meine Krebserkrankung ist in fortgeschrittenem Stadium, es gibt Metastasen. Es ist sicherlich die Bauchspeicheldrüse. Ich kenne meine Lebenserwartung nicht. Aber ich bin optimistisch. Ich werde kämpfen und diesen Kampf gewinnen", sagte der Franzose in der Fernsehsendung "Sept à huit". Dem TV-Sender "TF1" gestand der 48-Jährige im Juni: "Ich kann nicht behaupten, dass Doping bei meiner Krankheit keine Rolle gespielt hat." Kurz vor dem Tour-Start 2009 veröffentlichte Fignon sein autobiografisches Buch "Wir waren jung und sorglos". Er schildert darin die Geschehnisse in der Radsportszene der Achtziger Jahre. E hat offen zugegeben, mit Amphetaminen und Kortison gedopt zu haben. Seine Markenzeichen waren Intellektuellen-Brille und der Pferdeschwanz. Laurent Fignon gewann neben der Tour (1983 und 1984) 1989 den Giro d'Italia. Ebenfalls 1989 wurde Fignon bei der Tour um nur acht Sekunden von Greg LeMond geschlagen. Dieses Finale ging als knappstes Ergebnis aller Zeiten in die Geschichte ein. Heute arbeitet Fignon als Sport-Kommentator für das französische Fernsehen.

Woran liegt das?

Eine Zeit lang wurde schlicht und einfach falsch trainiert. Unter Verbandspräsident Daniel Balle wurde der Sport auf eine andere Basis gestellt. Die Elite wurde gefördert, die Basis vernachlässigt. Doch ohne Basis kann es keine zukünftige Elite geben. Hinzu kommt, dass es in Frankreich 1998 den "Fußball-WM-Effekt" gab: Die simple Tatsache, dass wir die WM gewannen, hat alle jungen Leute zum Fußball gezogen.

Wenden sich die Franzosen ohne eigenen Champion von der Tour de France ab?

Bei France Télévision verzeichnen wir höhere Einschaltquoten, wenn mal ein Franzose gewinnt. Ansonsten ist die Tour vor allem ein großer internationaler Event, das Interesse ist nach wie vor groß.

Kann Lance Armstrong noch einmal gewinnen?

Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht.

Aber einen Favoriten werden sie doch haben?

Alberto Contador! Ein großer Champion, nicht nur, was die Leistung der Beine betrifft. Er ist willensstark, bewahrt Ruhe, hat einen klaren Kopf. Bei den letzten Etappen haben viele Fahrer geklagt, dass es Gegenwind gab, dass der Pulk zu dicht war. Contador klagt nicht, sondern greift im Zweifelsfall lieber an. Ein Champion kennt keine Angst.

Ist der Radsport sauberer als in den vergangenen Jahren? Wird weiter gedopt?

Ich denke, die Radrennfahrer haben begriffen, dass es so wie in den vergangenen Jahren nicht weitergehen konnte. Gleichzeitig haben sich Analysen und Kontrollmethoden verfeinert. Gerade die jungen Fahrer sind überall sauberer geworden. Mit weiteren Dopingskandalen hätten wir den Sport gegen die Wand gefahren. Andererseits sollte Doping nicht nur im Radsport bekämpft werden. Viele Athleten erwischt man, weil es Kontrollen gibt. Aber wer kontrolliert z. B. den Fußball, eine Sportart wo viele Menschen unter dreißig an Herzinfarkt sterben? Damit will ich die Sünden der Radrennfahrer nicht entschuldigen. Aber Kontrollen werden überall gebraucht. Auch ich habe, genau wie die anderen Fahrer, damals gedopt, mit Kortison und Amphetaminen. Das sage ich auch offen in meinem Buch.

"Wir waren jung und sorglos"...

Ja. Das waren wir. Es gab weniger Druck im Radsport. Weniger Medienpräsenz. Aber auch weniger Geld. Und abends haben wir gefeiert statt geruht. In meinem Buch wollte ich dem Leser einen Radsport zeigen, den er so nicht kennt, wollte noch mal die Sportler beschreiben, die ich getroffen habe, ein realistisches Bild "meiner Zeit" zeichnen, mit allem, was dazugehört: den Freunden, den Festen, den Mädchen aber auch dem Doping.

Das klingt nach guter alter Zeit...

...unser Radsport war komplett anders. Nicht, was die Leistungen und die Leistungsbereitschaft betrifft. Aber die Menschen, die Umgebung, die Medien, das alles hat sich verändert.

Interview: Jörg Zipprick

Mehr zum Thema

Newsticker

VG-Wort Pixel